Kultur

Sein treuester Freund heißt Bello

Text: Rüdiger Gramsch

Fast 50 Jahre sind es jetzt her, als Dieter Sirringhaus, damals junger Stadtjugendpfleger von Villingen-Schwenningen, Kasper und Seppl begegnete. Da saß der umtriebige Sozialpädagoge in einer Vorstellung des Puppenspielers Fred Bille in Rottweil und war begeistert. Begeistert nicht nur vom Stück, sondern auch von den Reaktionen der Kinder im Zuschauerraum. Fred Bille wurde Dieter Sirringhaus‘ Lehrmeister, brachte ihm Spiel- und Stimmtechnik bei. Schon bald spielte Sirringhaus vor Kindern sein erstes Stück. Im Publikum saß Fred Bille und gratulierte ihm nach der Vorstellung. Für Sirringhaus der Ritterschlag zum Puppenspieler.

Doch für sein Hobby blieb Sirringhaus in den ersten Jahren nicht viel Zeit, sein Job als Stadtjugendpfleger in der Doppelstadt forderte ihn stark. Mit seinen Ideen wurde er zum Trendsetter in der bundesdeutschen Jugendarbeit. Mit dem von ihm initiierten Familienpark in Villingen setzte der Sozialpädagoge neue Maßstäbe, schuf aber auch für sich eine Plattform fürs Puppenspiel. Immer sonntags, wenn  Menschentrauben bin den Park zogen, lud er ins Theaterzelt und spielte vor begeisterten Kindern spannende Geschichten mit Kasper, Seppl – und dem vorlauten Hund Bello. 

Sirringhaus‘ Spielfreude und Talent sprachen sich herum, immer öfter wurde er gebucht. Ein Grund für ihn, 1980 seine eigene Puppenbühne zu gründen – die Villinger Puppenbühne. So ließen sich Job und Freizeitbeschäftigung am besten und für jeden nachvollziehbar trennen. Als Sirringhaus, inzwischen 75, in den Vorruhestand ging, ging es mit der Villinger Puppenbühne so richtig los. Auch in vielen Orten auf der Schwäbischen Alb ist die Villinger Puppenbühne ein gern gesehener Gast. Vor sechs Jahren wurde Dieter Sirringhaus in der Kategorie Kinder-Entertainment zum Künstler des Jahres ernannt. Die Auszeichnung wird von der Redaktion des „Künstlermagazins“ (Sindelfingen) vergeben.

Auch wenn Sirringhaus das Ländle liebt, mit seinen Puppen spielte er sich quer durch Deutschland in die Herzen der Kinder. Ob beim Tigerentenclub, beim SWR-Fest in Stuttgart, im Tierpark in München oder in Schulen am Niederrhein – stets wurden er und seine Handspielpuppen von den Kleinen stürmisch gefeiert. Zu seinen spektakulärsten Auftritten zählt er Vorstellungen im Olympiapark in München, wo er mehr als 1000 Kinder begeisterte. Auch im Europapark in Rust tritt er regelmäßig auf. Selbst der Bundespräsident lud Sirringhaus nach Berlin, um auf dessen Bürgerfest zu spielen. 

Doch der Villinger Puppenspieler will nicht nur unterhalten, sondern mit seinem Spiel auch Kinder schützen und aus sozialen Notlagen helfen. So bietet er seit geraumer Zeit ein lehrreiches Präventionspuppentheater zu verschiedenen Themen an, das er vornehmlich vor Schulklassen spielt. Zu seinem sozialen Engagement gehören aber auch eine Zaubertournee durch Flüchtlingslager auf Haiti,  sowie für Kinder in der Dominkanischen Republik. Außerdem spielte Sirringhaus in Kinderheimen und Schulen auf den Philippinen, in Vietnam, in Madagaskar, im Sudan, auf Kuba und im russischen Tula. Sein treuester Begleiter, der  vorlaute Bello,  war auf allen Reisen immer mit dabei.

www.villinger-pupenbuehne.de


Krimi ums Streuobst
In Zusammenarbeit mit der Agentur Maitis-Media (Göppingen)  hat Dieter Sirringhaus ein Programm entwickelt, mit dem er Kindern die Bedeutung der Streuobstwiesen am  Albtrauf nahe bringt. Das Puppentheater ist ein Streuobst-Krimi: Kasperl, Seppl und Bello sind den Räubern auf der Spur, die der Großmutter einen ganzen Korb voll frischer Wiesenäpfel gestohlen haben, aus denen ein Apfelkuchen gebacken und frischer Saft gepresst werden sollte. Gezaubert wird anschließend mit Äpfeln und Birnen. Das Programm eignet sich für Schulklassen, sowie mit mehreren, über den Tag verteilten Vorstellungen, für Feste, bei denen es sich ums Wiesenobst dreht.  Infos bei: Maitis-Media GbR, Göppingen, Telefon 07161 / 944521, Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

1-2022

 

 

Taktgeber aus Gingen

Text:  Günter Hofer

Die Firma Schlagwerk aus Gingen produziert Cajons  (Holzkisten)  zur Rhythmusgestaltung. Begleitorchester von Weltstars setzen das Instrument ein, das Gerhard Priel nach dem Vorbild der aus Peru  stammenden Kisten-trommel in Perfektion weiterentwickelt hat.

Bei Welttourneen von Sarah Conner, Xavier Naidoo oder David Garrett sind die Rhythmusmacher der großen Begleitorchester mit unterschiedlichen Cajones aus dem kleinen Gingen ausgestattet. Auch wenn Carolin Niemczyk und Daniel Grunenberg von „Glasperlenspiel“ ihre Show auf der Bühne abliefern, sind rhythmische Instrumente von Schlagwerk mit im Einsatz. Der unverwechselbare Klang und die „Schlagwerk-Qualität“ begründen den fabelhaften Ruf. Auf den größten Bühnen der Welt und in den besten Institutionen ist Schlagwerk zu hören und zu sehen. Vor allem die produzierte Cajon startete dank Gerhard Priel von Gingen aus ihren Siegeszug in die große weite Welt.

Das perkussive Musikinstrument Cajon, wie es heute in der Musikerszene bekannt ist, stammt ursprünglich aus Peru und ist aus der Not heraus entstanden. Erste Variationen der Cajon waren einfache Kisten in der Kolonialzeit durch Sklaven und der Name aus dem spanischen (Kiste) hergeleitet. 

Cajones werden inzwischen nicht mehr nur in südamerikanischen Ländern sondern weltweit, wie bei der Firma Schlagwerk in Gingen an der Fils, hergestellt. Die charakteristisch afro-peruanische Bauform, ein Quader aus sechs Holzplatten, ist geblieben. Die Schlagplatte - entgegen einer normalen Trommel nicht aus Leder oder Fell – sondern aus Holz ist in den meisten Fällen in der oberen Hälfte nicht fest mit dem Korpus verbunden. Durch Schraubung kann ein Spalt entstehen, der zusätzlich zum tiefen Bassschlag im Unterteil, den klappernden Klang erzeugt. 

Heute wird bei der Firma Schlagwerk in Gingen viel an unterschiedlichsten Klangvariationen getüftelt. So entstand zum Beispiel der Schnarr-Mechanismus, wie er traditionell schon bei arabischen Rahmen- und europäischen Militärtrommeln  Verwendung findet. Im Inneren des Edelholzkorpus wird die Cajon dazu z.B. mit zwei „Snareteppichen“ (mehreren Metallsaiten) ergänzt. Zum trockenen Bass kommt beim Spiel mit beiden Händen so gezielt  ein zitternder, schwingender metallener Klang dazu.

Schaut man ins Cajon Portfolio bei der Firma Schlagwerk, findet man vielfältige „Kisten“ für die Rhythmusmusik, die sich durch das Holz vom Korpus, der Schlagfläche, gerundet oder eckig, mit und ohne Innenleben und dem farblichen Design unterscheiden. Auch an die feinen, sensiblen Musikerhände wird auf Wunsch bei der Produktion gedacht. Durch die „Soft-Touch-Technologie“ zwischen Schlagfläche und Korpus an der oberen Kante, wird eine gewisse Elastizität erzeugt. Bei einem längeren Spielen werden dadurch die Hände nicht so stark belastet.

Seit über 30 Jahren baut Schlagwerk hochwertige Percussions- und Schlaginstrumente. Das Unternehmen verwendet nur hochwertige Materialien von Lieferanten denen seit Jahren vertraut wird. Birke, Erle und Buche sind europäische Hölzer höchster Güte. Hier sind ansprechende Optik mit niedrigem Gewicht und der nötigen Festigkeit vereint. Lassen sich einmal exotische Harthölzer nicht ersetzen, wird bei Schlagwerk ausschließlich frei handelbares Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft verwendet. In Gingen entstehen Unikate in Serie. Die hohe konstante Perfektion und Qualität in hoher Stückzahl konnte geschaffen werden, weil durch jahrelanger Entwicklungsarbeit Spezialmaschinen optimiert und an die Bedürfnisse angepasst wurden. Hochwertige Handarbeit wird mit fortschrittlicher Technologie ergänzt. 

Am Schlagwerk-Campus in Gingen - 2003 folgte der Umzug in den heutigen Firmensitz-  sind auf einer Firmenfläche von circa 4000 Quadratmetern, 30 Mitarbeiter beschäftigt. Speziell in der Produktion vom Cajon bietet das Unternehmen außergewöhnliche Arbeitsplätze für Schreiner und ist ständig auf der Suche nach guten Fachkräften. Etwa 90 Prozent der Arbeitsschritte am Cajon sind Handarbeit. Bei Schlagwerk ist nicht nur jedes entstandene Cajon, nach zahlreichen Fertigungsschritten, ein echtes Kunstwerk. 

Jeder Mitarbeiter ist vor allem im Umgang mit Holz ein echter Künstler. Klangdoktor und Resonanzmagier in einem ist Firmengründer Gerhard Priel. Er hat das Unternehmen geprägt und ist der Erfinder des modernen Cajon nach klassischem, peruanischem Vorbild. Er hat das Know-how um immer wieder neue Instrumente zu erfinden und zu entwickeln. Es ist schon fast verständlich, dass sich Gerhard Priel in der Schlagwerk-Produktion wohl fühlt und bei vielen Arbeitsschritten selber Hand anlegt. 1982 war der damalige Schreinerlehrling Gerhard Priel von einer von einem Freund mitgebrachten brasilianischen Schlitztrommel so begeistert, dass er das Instrument in einer kleinen Scheune in Giengen/Brenz nachbaute. Bis dato war das Instrument in Deutschland nahezu unbekannt. Nach etwas Tüftelei war ein Prototyp entstanden. Der Beginn einer langen Geschichte innovativen Instrumentenbaus. 

Die erste Cajon entstand 1984 nach dem Umzug nach Geislingen und startete von dort ihren Siegeszug. Gerhard Priel begann, aus der Holzkiste ein professionelles Instrument zu entwickeln. Heute wird jede in Gingen gefertigte Cajon bevor sie das Werk verlässt vom Profimusiker „Mädde Sauer“ angespielt. Der „Antrommler“ kennt mittlerweile jede Feinheit in der Klangwelt von Schlagwerk.
Heute wird bei Schlagwerk in Gingen, nach mittlerweile zwei durchgeführten Firmenerweiterungen, nicht nur die Cajon produziert. In sechs Produktkategorien findet der Percussionist unterschiedlichste Schlaginstrumente und passendes klangerzeugendes Zubehör. Man findet zum Beispiel „Cajons Cymbals“, in Handarbeit gefertigte Becken, oder in der Gruppe „Ethno Drums“ die Verschmelzung traditioneller Instrumente unterschiedlichster Form und Herkunft.

www.schlagwerk.com

1-2022

 

 

Ein klangvoller Name

 

Text: Rüdiger Gramsch

Schiedmayer in Wendlingen (Kreis Esslingen) steht für höchste Qualität im Instrumentenbau. Das traditionsreiche Unternehmen hat sich auf die Fertigung der Celesta spezialisiert und schreibt damit eine Erfolgsgeschichte.

Elianne Schiedmayer blüht auf, wenn sie Besucher durch ihr Museum führen darf. Dort, wo dicht gedrängt Harmonium neben Harmonium, Flügel neben Flügel und Celesta neben Celesta stehen und die Wände mit Fotos und Dokumenten von der Bedeutung der Firma Schiedmayer zeugen. Das Unternehmen in einem Gewerbegebiet von Wendlingen (Kreis Esslingen) ist der weltweit noch einzige Hersteller der Celesta in Originalbauweise.

Schiedmayer hat erst seit gut 20 Jahren seinen Firmensitz in Wendlingen. Elianne Schiedmayer, die seit dem frühen Tod ihres Mannes Johann Georg im Jahr 1992 die Firma erfolgreich führt, sieht Schiedmayer eher als Stuttgarter Unternehmem. Dort hatte der Instrumentenbauer bis Ende des Zweiten Weltkrieges seinen Sitz und seine Blütezeit erlebt. Aus dem eistigen Handwerksbetrieb wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahhunderts eine Instrumentenfabrik. Angefangen hatte alles aber in Erlangen. wo 1723 der aus aus dem katholischen Österreich vertriebene Protestant  Balthasar Schiedmayer sein erstes Instrument baute. Ein Clavichord - der Vorläufer des Klaviers.

In Erlangen legte  Schiedmayer den Grundstein für eine ganze Dynastie von Instrumentenbauern. Und im Fränkischen weiß man das Wirken schiedmayers zu schätzen, gab es in Erlangen doch zum 300. Geburtstag des erfolgreichen Handwerkers eine  ganze Konzertreihe.

Firmengeschichte reicht zurück bis ins Jahr 1723

1809 zog ein Nachkomme Balthasars, Johann Lorenz Schiedmayer,  dann gen Stuttgart. Zusammen mit seinem Freund Carl Wilhelm Friedrich Dieudonné eröffnete er eine Instrumentenbauwerkstatt. Aus ihr wurde 1821 mit Beginn der Industrialisierung, eine Fabrik in der Neckstraße und 1845 folgte die Gründung der Firma Schiedmayer und Söhne. In der Unternehmensgeschichte gilt Johann Lorenz als der starke Mann und Macher. Zwei seiner vier Söhne übernahmen den Betrieb, die beiden anderen schickte der Vater in die weite Welt, um sich nach neuen Produkten umzuschauen. Als sie zurückkehrten, gründete der Vater für sie  1853 die Firma J & P Schiedmayer, später Schiedmayer Pianofortefabrik. 1890 stieg die Firma in die Celesta-Fertigung ein.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die Firmengebäude in Stuttgart zerstört, das Unternehmen zog  nach Altbach, wo es 1969 weiter ging. Dass es in Stuttgart keinen Neuanfang gab, bedauert Elianne Schiedmayer, doch der Wiederaufbau passte nicht in die städtischen Pläne einer Kulturmeile.

Als die Würfel für den Umzug gefallen waren übernahm  Johann Georg Schiedmayer die Schiedmayer Pianofortefabrik. 1980 entstand die Firma Schiedmayer & Söhne GmbH & Co KG. Die bis dahin betriebene Klavierproduktion wurde eingestellt, das Unternehmen spezialisierte sich auf die Celesta und  auf Tastenglockenspiele.

Fünf Jahre später wieder ein Umzug - nach Wernau. 1992 starb Johann Georg Schiedmayer und seine Witwe, die aus Haiti stammende Musikpädagogin und Pianistin Elianne Schiedmayer, übernahm die Geschäfte, auch wenn sie, wie sie heute einräumt, damals wenig Ahnung von der Aufgaben einer Geschäftsführerin hatte. Doch das sollte sich schnell ändern. 1992 gründete sie die Schiedmayer Celestabau GmbH und zog mit ihr nach Wendlingen, wo sie heute unter dem Namen Schiedmayer Celesta GmbH produziert. 

Bei einer Celesta werden mit den Klaviertasten kleine, mit Filz überzogene Hämmerchen auf  Metallplättchen geschlagen, was den besonderen Klang des Instruments ausmacht. Um diesen noch zu verstärken, sitzt die Klangplatte über einem kleinen Holzkasten, dem Resonator. 

Damit baut Schiedmayer das Instrument so, wie es sein Erfinder, der Pariser Harmonium-, Orgel- und Klavierbauer Victor Mustel 1891 in seiner Patentanmeldung beschrieben hatte. Dasneue Instrument, das Mustel auf der Weltausstellung 1889 präsentierte und Celesta nannte - was so viel heißt wie die „Himmlische“ -, sorgte  für Aufsehen. Zwei Jahre später kam der Komponist Peter Tschaikowski nach Paris, um sich die Celesta zeigen zu lassen. Im „Tanz der Zuckerfee“ in der  Nussknacker-Suite schrieb der Komponist den Solopart für das Instrument des Franzosen. Die Premiere 1892 in St. Petersburg war vielumjubelt und der  internationale Durchbruch für die Celesta.

In zahlreichen Werken berühmter Komponisten wird das Instrument eingesetzt. In Bernsteins „Westside Story“ ebenso wie in Richard Strauss‘ Oper „Ariadne auf Naxos“ oder in John Williams‘ Filmmusik zu „Harry Potter“. Und selbst die „Beatles“  griffen in ihren Songs auf die Celesta zurück.

Auch Harry Potter steht auf Celesta

Eine Schiedmayer-Celesta steht heute in allen großen Konzertsälen dieser Welt. Und nicht nur dort. Elianne Schiedmayer  reist persönlich zu potenziellen Kunden, präsentiert in Shanghai das Instrument auf der größten Musikmesse der Welt. China, so sagt sie, entwickelt sich immer mehr für ihr Unternehmen zu einem großen Absatzmarkt. Indes: Die Celesta entsteht in Handarbeit, weshalb der zehn Mitarbeiter zählende Betrieb im Schnitt nur  etwa 25 bis 30 Celeasta im Jahr ausliefern kann. Hinzu kommen noch Instrumente, die nach jahrzehntelangem Einsatz in der Wendlinger Werkstatt überholt werden, sowie Tastenglockenspiele, die Schiedmayer ebenfalls noch baut.

Seit einigen Jahren schon beschäftigt man sich bei Schiedmayer mit einem neuen Instrument. Es ist ein Glockenspiel mit hölzernen Resonatoren, das unter dem Namen  „Bellesta“ jetzt auf den Markt kommt. Dabei bleibt sich das Unternehmen seiner Devise treu: alles wird in Handarbeit gefertigt. 

Nicht nur mit dieser Innovaton hat Elianne Schiedmayer  die Weichen für die Zukunft gestellt.In der Geschäftsleitung sitzt seit einigen Jahren mit Knut Schiedmayer ein Neffe des verstorbenen Johann Georg Schiedmayer. Er soll eines Tages die Familientradition im Unternehmen fortsetzen. 

Und die Instrumente im Firmemmuseum? Sie sind in das Eigentum der Schiedmayer-Stiftung, übergegangen. Damit soll vehindert werden, dass eines Tages die über Jahrzente aus aller Welt zusammengetragene Sammlung zerrissen wird. Zudem fördert die Stiftung auch Künstler und veranstaltet Konzerte.

www.celesta-schiedmayer.de

1-2021

 

 

Zwischen Genie und Wahnsinn

 

 

 Text: Thomas Kießling

Zwischen Lauffen am Neckar und Tübingen liegen nur geschätzte 130 Fluss-Kilometer. Die Erstgenannte ist die Stadt, in der Johann Christian Friedrich Hölderlin vor 250 Jahren geboren wurde, in der zweiten starb er 73 Jahre später. Kam wohl nicht weit rum, der Gute, aber das täuscht, denn um seine größte Reisestrecke über 1098 Kilometer wissen wir, dass er sie noch zu Fuß absolvierte und dass sie sein Leben nachhaltig verändern sollte. Lauffen wie Tübingen, aber auch Nürtingen und Marbach, ehren den Dichter in diesem Jahr zu seinem 250. Geburtstag.

Rechtzeitig zu Hölders, wie ihn seine Freunde einst nannten, Todestag am 7. Juni wurde in Lauffen das renovierte Geburtshaus eingeweiht. Auch Tübingen ließ sich nicht lumpen und hat ein ganzes Literaturjahr zu Ehren Hölderlins ausgerufen – das wegen Corona derzeit ziemlich zusammengeschrumpft ist. Doch auch der Hölderlinturm am Neckar als Museum ist nun wieder unter Hygienemaßnahmen geöffnet. Hier verbrachte der Dichter den zweiten Teils seines Lebens auf Einladung von Schreinermeister Ernst Friedrich Zimmer. Er, der von allem Hölderlins Hyperion bewunderte, einen Briefroman, kam 1807 aus dem Universitätsklinikum Tübingen als unheilbar krank geltend und lebte fortan im zweiten Stock des damals wohl achteckigen Turms - 36 Jahre lang bis zu seinem Tod.  Seine Verse aus „Hälfte des Lebens“ zählen zu den beliebtesten Dichtungen in deutscher Sprache. Er bevorzugte die Formen der Poesie – die Hymne, die Ode oder Elegie – wer schreibt heute noch eine Ode? - herrlich.

Am 6. oder 7. Dezember 1801 aber brach Hölderlin zu einer fatalen Reise auf – von Nürtingen aus, wo er seine Jugendzeit verbrachte und noch seine Mutter lebte. Ziel war Bordeaux. Ihn trieb „die Herzens- und die Hungersnot“, denn einige Projekte waren gescheitert und der Versuch, sich als Schriftsteller zu etablieren, misslungen. Ein begehrter Lehrstuhl an der Universität Jena war ausgerechnet durch die Freunde Hegel und Schelling besetzt. Sie waren einst seine Tübinger Studienkollegen - ausgerechnet. Also ab an die französische Atlantikküste, wo er – schon mit Erfahrungen in diesen Bereich – die Gelehrtenerziehung der Kinder des Weinhändlers und Hamburgischen Konsuls Daniel Christoph Meyer übernehmen sollte. Professor Thomas Knubben schreibt in seinem Band „Hölderlin – Eine Winterreise“, das Hölderlins Einkünfte auf 50 Louis d´or oder rund 450 Gulden recht stattliche taxiert waren. Dieses Gehalt „entspricht in etwa der Hälfte des Vermögens, das eine Nürtinger Handwerkerfamilie im Laufe ihres ganzen Lebens zusammenbringen konnte.“ Hölderlin sollten offenbar zudem die Reisekosten mit weiteren 25 Louis d`or erstattet werden und erwägt sogar, bei diesem Verdienst sein Vaterland „vielleicht auf immer“ zu verlassen.     

Hölderlin – wie über 200 Jahre später Prof. Knubben – tritt seine Reise aber zu Fuß an, über den Schwarzwald und die Vogesen, mit der inneren Einkehr in literarische Gedanken und mit der Abkehr von einem Land, das auch ihn – wenigstens zu seiner Zeit - nicht ausreihend gewürdigt hat. Das lag vor allem an manch schroffer Kritik und an wenig Unterstützung vor allem von Schiller, von dem sich Hölderlin mehr Support versprochen hatte.

Doch nach wenigen Monaten kehrte Hölderlin von Bordeaux nach Württemberg zurück. Eintrag in seinem Pass von der Rheinbrücke in Kehl am 7. Juni 1802.

Der Grund für seine Rückkehr ist bis heute  unbekannt. Vielleicht war es genauso wie sieben Jahre zuvor eine unglückliche Liebschaft mit der Dame des Hauses des Frankfurter Bankiers Gontard,  wo Hölderlin ebenfalls den Posten des Hauslehrers innehatte. Als der Hausherr von Hölderlins Werben um seine Susette erfuhr, musste dieser flüchten, erkor aber die Dame zu seiner großen Liebe und verewigte sich in den erwähnten Roman „Hyperion“ – dorten mit der Figur der Diotima. Offenbar flüchtete Hölderlin aus Bordeaux – und zwar so, dass zeitliche Lücken in seiner Rückreise sind – es fehlt ein ganzer Monat.

Susette stirbt noch in demselben Monat, am 22. Juni 1802, in Frankfurt an Röteln. Vielleicht war die Krankheit und der nahe Tod  der Geliebten der Grund für die Rückkehr des Dichters?

Ende Juni erreicht Hölderlin Stuttgart, aber offenbar in so einem verwahrlostem und verwirrtem Zustand, dass Freunde ihn zunächst kaum wiedererkannten. Er sei völlig erschöpft und erregt zugleich, „leichenblass, abgemagert, von hohlem wildem Auge, langem Haar und Bart, und gekleidet wie ein Bettler“. Was war nur passiert auf der Rückreise?

Schon damals wurde bei Hölderlin das Leiden an einer schweren Hypochondrie festgestellt, der Angst, eine schwere Krankheit zu erleiden, ohne aber eine zu haben. Vielleicht gab es Versagensängste, Angst, nicht den eigenen Ansprüchen oder derer der anderen zu entsprechen. Vermutungen. Hölderlin kehrte zur Mutter nach Nürtingen zurück und stürzte sich in die schriftstellerische Arbeit. Wanderwege rund um die Stadt lassen heute die  Stationen Hölderlins aufleben Auf dem Tübinger Literaturpfad kann man ebenfalls dem Dichter begegnen.

www.hoelderlin-nuertingen.de
www.tuebingen.de/literaturpfad
www.tuebingen-info.de

www.tuebingen.de/hoelderlinturm

1-2020

 

 

Von Zwergen und anderen Zipfeln

 

Text: Rüdiger Gransch

Großkariertes Hemd und rote Zipfelkappe – das ist das Outfit vom „Zwerg vom Berg“, der seit vielen Jahren zur närrischen Saison dem Publikum seine Beobachtungen von weit oben kundtut. Mit seinen Pointen schaffte Helmut Gärtner den Sprung in die Fernsehfasnacht. Jetzt steigt der Zwerg außerhalb der Fasnacht vom Berg hinab und beglückt das Publikum mit einem zweistündigen Soloprogramm – auf gut schwäbisch.

Wo der Zwerg vom Berg auftritt wird „schwäbisch gschwätzt ond gsonga“. Helmut Gärtner aus Donzdorf (Kreis Göppingen) bekennt sich zu seiner Heimat und zur Mentalität der Schwaben, wenngleich er diese in seinem Programm auch ab und an auf die Schippe nimmt. Etwa, wenn der Zwerg vom Berg in die Rolle des „Ogsa“-Wirts aus „Zellua“ (Zell unter Aichelberg) schlüpft und seine Gäste vorstellt. Etwa den achtköpfigen Elternbeirat des Kindergartens (eine Flasche Mineralwasser mit acht Gläsern bitte), der über die Eigenarten der Kinder Kai-Rüdiger und den Sandkörner schluckenden Leon-Pascal berät. Und wer da nicht noch alles am Stammtisch sitzt?  Der „Gsälzriababauer“, der für sein „Rübengsälz“ berühmt ist und der zum Düngen seiner Streuobstwiese die A 8 überqueren muss. Das kann natürlich nicht gut gehen, denn auf der vielbefahrenen Straße kommt er schnell einem Daimler in die Quere – mit unabsehbaren Folgen für dessen Fahrer. Oder der „Ogsa“-Patron erzählt vom Blümles-Karle, der sich wundert, dass er mit seinem Brennholzverleih kein Geld verdient.

Helmut Gärtner schöpft aus dem Vollen, wenn es um schwäbische Charaktere geht. Zu gut hat er sie in seinem Leben studiert und an manchen Stammtischen live erlebt. Doch nicht nur sie. Aus der Reihe der Stammtischbrüder in „Zellua“ tanzt da der Strelzyk, jener wagemutige Mann aus Thüringen, der einst mit dem Ballon aus der DDR gen Westen flüchtete und nun von seinem Trabbi-Sport (Trabbi mit Turnschuh auf der Ablage) schwärmt. Was ihm der Zwerg vom Berg andichtet wird köstlich in einem thüringisch-sächsischen Kauderwelsch vorgetragen. Was haben die Stammtischbrüder im „Ogsa“ alle gemein? Ihre Gläser sind viel zu schnell „babbela“, sprich leer. „Babbela“ heißt dann das dazu passende Lied, das Helmut Gärtner auf die Melodie von Karel Gotts „Babuschka“ geschrieben hat. Das klingt nach Fasnachts-Hit.

Als letzter schwäbischer Hippie erinnert sich der Zwerg vom Berg an die Zeit der Blumenkinder, schwärmt vom Nichtstun („Wir wussten gar nicht, wann wir damit fertig sind“) und erinnert – mit übergroßem Joint in der Hand – auch musikalisch an jene Jahre. Eine Paraderolle für Gärtner: Das Zwergli vom Bergli, jenes Schweizer Pendant zum Zwerg vom Berg, der „brutal explodiert“ das Temperament der Eidgenossen beleuchtet und mit seinem Zwergenjodler Appetit auf einen Besuch im Heidi-Land macht. „Was liegt zwischen Andermatt und Zermatt? Schach matt!“ Aber nicht nur auf Schwyzerdütsch bringt Gärtner das Publikum zum Lachen. Deutsch-türkisch geht’s auch. Als Ibrahim, dem „Stellvertreter vom stellvertretenden Hausmeister“, verheiratet mit Sürün („ein ü war übrig“), zündet der Zwerg vom Berg zu Ehren der  Migranten vom Bosporus ein verbales Feuerwerk.

Helmut Gärtner spielt in seinen Rollen mit der Sprache, nimmt die Doppeldeutigkeit von Worten auf und strickt daraus seine Pointen. Bodenständig wie er ist, sind auch die Geschichten, die er erzählt und die ihm manchmal mitten in der Nacht einfallen. „Dann muss ich gleich aufstehen und alles aufschreiben“, berichtet der 61-Jährige. Bei Gärtner gibt es keine intellektuellen Höhenflüge, auch keinen erhobenen Zeigefinger. Der Zwerg vom Berg schaut vielmehr dem Volk aufs Maul und  das macht den Schwaben Helmut Gärtner mit seinen „Zwergen und anderen Zipfeln“ volksnah und liebenswert.

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1-2020

 

 

 

Schwäbisch g'rad raus

 

 

Text: Andrea Maier

Rosa und Pink sind die Lieblingsfarben von Marlies Blume. Marlies schwätzt schwäbisch, trägt keine Kittelschürze, macht keine Kehrwoche. Marlies ist Schwäbin, aber zuallererst ist sie Mensch. Und sie ist Frau.

Diese schwäbische Marlies traut sich was, sie steht auf Bühnen und gibt zum Besten, was sie denkt. Sie verrenkt sich dabei sehenswert, ist klug und der Welt gegenüber absolut positiv eingestellt. Mit umwerfendem Charme entwickelt sie eindrucksvolle Gedankenspiralen, die aus einer Alltagskleinigkeit heraus in die Tiefen der menschlichen und gesellschaftlichen Seele reichen. Entgegen vieler Klischees – über Mundart-Kabarett, besonders über Kabarett von Frauen – ist das ausgesprochen unterhaltsam. Es ist im besten Sinne witzig und Lichtjahre von Schenkelklopfern entfernt.

Marlies Blume wurde 1995 von Heike Sauer erfunden, entwickelt und damals, an Silvester,  erstmals einem größeren Publikum vorgestellt. „Da ist etwas losgegangen und hat sich seinen Weg gesucht“, erinnert sich Heike Sauer, die in Eislingen (Kreis Göppingen) aufgewachsen ist und unbedingt Tänzerin werden wollte. Das wurde sie auch, Tanzpädagogin, Choreografin und Pantomimin noch dazu, aber nach einer Verletzung war damit Schluss. Sie fühlte sich wohl auf der Bühne und probierte es mit „schwätza“. So entstand die Marlies Blume. Nebenbei lernte Heike Sauer noch einen „ordentlichen“  Beruf, sie wurde Logopädin.

Seit 25 Jahren tourt Heike Sauer als Marlies Blume durch Süddeutschland und weit darüber hinaus. Obgleich die Marlies Schwäbin ist, bekommt sie auch in Kiel oder Wolfsburg tosenden Applaus. Vermutlich, weil nicht das Schwäbische, sondern der Mensch ihr Thema ist. 2006 und 2008 wurde sie ausgezeichnet, unter anderem vom Verein für Schwäbische Mundart.

Heike Sauer kann es mit der schwätzenden Marlies „einfach laufen lassen – direkt, ohne Umwege“. Welche Themen bringt Marlies zur Sprache? „Alles, was mich selbst bewegt: Gemeinschaft, Fairness, Solidarität, der Wert jedes einzelnen Menschen ...“ Sie hat gut zwei Stunden lang eine Bühne mit vielen Leuten davor, „da kann ich was transportieren.“ So schwätzt Marlies Blume also mit klugem Witz, mit Engelszungen oder stürmisch flammend, für die Menschheit. Für eine menschliche Menschheit.

www.marliesblume.de
1-2020

 

 

Auseinandersetzung mit der Heimat

 

 

Text: Kirsten Oechsner

„Die Traufgängerinnen“ – das sind Susanne Wahl-Eder und Mona Maria Weiblen. Ein Mutter-Tochter-Duo, das mit einer ganz besonderen Liebeserklärung für volle Häuser in der Region sorgt. Schwäbisch gschwätzt wird auf den Bühnen im Ländle oft, doch die bekennenden Älblerinnen haben mit ihrer seit der Premiere im Juli 2013 uraufgeführten und stets erweiterten und ergänzten „Albrevue“ neue Akzente gesetzt und den Nerv der Zeit getroffen.

Die Künstlerin Susanne Wahl hat ihre Empfindungen für ihre Heimatregion in Wort, Bild, Musik und auch Tanz gepackt. Dabei ist der Blick durchaus nicht nur verklärt, denn die Alb und ihre Bewohner sind in der Tat rau und kantig, doch die Region und damit ihre Menschen hätten auch ihre liebenswerte Seiten und einen ganz speziellen Charme. Der spiegelt sich in der heiter-süffisanten, teilweise derben und doch immer wieder besinnlich-melancholische „Albrevue 2.0“ wider.

Wer eine slapstickartige Komödie mit schenkelklopfenden Humor erwartet, sieht sich getäuscht: „Die Traufgängerinnen“ bieten keinen Heimatabend im klassischen Sinn, vielmehr stellen sie den Variantenreichtum der Alb dar – sie ist traditionell und altmodisch, lässig und cool, knitz und schaffig. Für Allround-Künstlerin Susanne Wahl-Eder und ihre Tochter Mona Maria Weiblen, die nach einem Musicalstudium als freie Schauspielerin unter anderem mit Heiner Kondschak arbeitet, hat die Zusammenarbeit einen ganz besonderen Reiz – das Projekt ist beiden auch nach sechs erfolgreichen Jahren nach wie vor eine Herzenssache.

Klar, wird bei der „Albrevue 2.0“ schwäbisch gesprochen, die beiden Älblerinnen sind absolute Verfechterinnen des Dialekts – manche Gefühle könne man eben nur im Schwäbischen treffend ausdrücken. Und so sorgen Mutter und Tochter sowie die beiden Musiker Til Eder und Bernhard Krause auf den Bühnen der Region nicht nur für allerbeste Unterhaltung, sondern wird bei dem ein oder anderen Zuschauer auch ein Prozess in Gang gesetzt: der Auseinandersetzung mit der Heimat.

www.wahl-kunst.de

2-2019 

 

 

 

 

Lust und Last für drunter

 

Text: Kristen Oechsner

Die Frauen können drunter tragen was sie wollen und worauf sie Lust haben: Ob Minimizer oder Pushup, knallbunt oder farblich eher dezent, sexy oder praktisch. Und wenn der Träger oder die Spitze des BHs unter der Oberbekleidung hervorlugt, stört sich niemand mehr daran. Dass diese Form der Freiheit noch nicht lange selbstverständlich ist, wird nach einem Besuch des Naturana-Miedermuseums in Gomaringen deutlich.

2018 eingeweiht, hat sich das Miedermuseum längst zu einem Geheimtipp auf  der Schwäbischen Alb entwickelt: Weil das Thema jede(n) betrifft und das Museum letztlich auch die Geschichte der Emanzipation widerspiegelt. Dabei wird die Historie des schwäbischen Familienunternehmens Naturana, das in der Welt zu Hause ist, anschaulich verbunden mit der Textil- und Kulturgeschichte der Region.

Als 1917 die Carl-Dölker-Korsettfabrik startete, trugen die Frauen mit Metallstäben verstärkte Korsetts – steif, schwer und nicht waschbar: „Es ging darum, den Körper zu formen, sonst war die Frau nicht zu verheiraten“, erklärt Theresia Knoblauch und das galt nicht nur für die Damen aus den besseren Kreisen, sondern auch für Fabrikarbeiterinnen. „Die Frauen hatten furchtbar geschundene Körper, Organe waren verschoben und die Lungen deformiert“, weiß die Museumsführerin. Die häufigen Ohnmachtsanfälle hatten durchaus einen Grund: „Die Frauen konnten nicht richtig einatmen." Irgendwann schlugen Ärzte Alarm, begann eine stete Entwicklung in Richtung Bequemlichkeit und Beweglichkeit – federführend mit dabei war Naturana.

Zum 100-jährigen Bestehen hatte das Unternehmen zahlreiche Schätze im firmeneigenen Archiv entdeckt und die Idee, ein Museum zu gestalten, war geboren. Zu sehen sind unzählige Miederwaren, Dessous und Unterwäsche im Wandel des Zeitgeists, aber eben nicht nur: Werbematerialien, ein alter Vertreter-Koffer, Fotos, Farbkarten und Skizzen oder auch der einstige Original-Holzschreibtisch von Carl Dölker junior, Sohn des Firmengründers, sind ebenfalls ausgestellt.

Beim Gang durch das mit 80 Quadratmetern eher kleine, aber feine Museum ist eines ausdrücklich erwünscht: Schubladen öffnen und ganz nah dran sein bei den Exponaten. Das Miedermuseum in der Bahnhofstraße 26 befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Naturana-Stammsitz in Gomaringen und kann zu den Öffnungszeiten (Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr sowie Samstag von 9 bis 13 Uhr) besucht werden. Eine kostenlose Führung mit Theresia Knoblauch bietet sich indes an, die mit vielen Hintergrund-Geschichten ein lebendiges Bild der Frau und von dem, was sie unter der Oberbekleidung getragen hat und trägt, vermittelt. Information und Anmeldung unter 07072-120.

 Weitere Museen zum Thema Textil:

Miedermuseum Heubach, www.heubach.de
Maschenmuseum Albstadt, www.albstadt.de/Maschenmuseum
Mey Nähmaschinenmuseum Albstadt, www.mey.com
Modemuseum Feigel Ehingen-Granheim, www.modemuseum-feigel.de
Webereimuseum Sindelfingen, www.haus-der-handweberei.de

2-2019

 

 

 

 

Das Bauhaus prägt die Pausa

 

Text: Andrea Maier

Am Fuße der Zollernalb, im Blumenstädtchen Mössingen, steht ein beeindruckendes Industriedenkmal, die ehemalige Textildruckerei Pausa. Während weltweit 100 Jahre Bauhaus zelebriert werden, blicken Sachverständige und Interessierte auch aufmerksam auf das Pausa-Quartier. Die 1951 bis1961 vom Architekten Manfred Lehmbruck erbauten Gebäuden zeugen von der Ideenkraft des „Neuen Bauens“. Die einst weltbekannte Textildruckfirma arbeitete mit namhaften Künstlerinnen des Bauhauses und renommierten Designern wie Willi Baumeister, HAP Grieshaber, Leo Wollner, Walter Matysiak, Andreas Felger und Anton Stankowski zusammen. Nicht nur in der Architektur der Werksgebäude, auch und vor allem in den Dessins der Stoffe sind die Schöpfungen etlicher Bauhaus- und Werkbund-Künstler sichtbar, spürbar, erlebbar. Die Ursprünge der Pausa-Textildruckerei gehen auf die 1871 in Mössingen gegründete Buntweberei Hummel zurück. Als die Brüder Felix und Artur Löwenstein den Betrieb 1919 kauften und ihn nach ihrem ersten Firmenstandort Pausa im Vogtland benannten, begann man schon bald mit dem Textildruck. Die kulturinteressierten Löwenstein-Brüder lebten in Stuttgart und waren begeistert von den Ideen des Werkbundes und des Bauhauses. Während der NS-Diktatur wurden die jüdischen Eigentümerfamilien gezwungen, ihren Betrieb weit unter Wert zu verkaufen und zu emigrieren. Käufer war die Firmengruppe Burkhardt-Greiner. 

Dem neuen künstlerischen Leiter, Willy Häussler, gelang es nach dem Krieg die Erfolgsgeschichte der Pausa weiterzuschreiben. Das Unternehmen expandierte. Die neuen Gebäude, vom Werkbund-Schüler Lehmbruck entworfen, boten funktionale, helle, gut durchlüftete Arbeitsräume. Die architektonischen und inhaltlichen (Frei-)Räume unter Willy Häussler lockten renommierte Künstlerinnen und Designer zur gestalterischen Mitarbeit für die Produktion hochwertiger Dekorations- und Bekleidungsstoffen. 2001 musste Pausa Insolvenz anmelden und 2004 die Produktion einstellen. Teile des bemerkenswerten Gebäudeensembles wurden einige Jahre später von der Stadt Mössingen aufgekauft und 2005 unter Denkmalschutz gestellt. In der Tonnenhalle, dem ehemaligen Druckereigebäude, befinden sich heute die städtische Bibliothek, Büros des Regionalverbandes Neckar-Alb, die Sozialstation der Diakonie und ein Raum für Wechselausstellungen zum Thema Pausa. Seit 2015 wurden bereits mehr als 86000 unterschiedliche Dessins,13500 Entwürfe und 735 Musterbücher inventarisiert - „das ist längst nicht alles“, erklärt die Leiterin der Museen und des Archivs, Franziska Blum, „nach der jetzt anstehenden großen Ausstellung sichten und sortieren wir diese zurückgebliebenen so reichhaltigen Schätze weiter.“ 

Info Pausa-Quartier, Löwensteinplatz 1, 72116 Mössingen. Die Ausstellung „Pausa. Jede Menge Stoff drin“ ist bis 24. November 2019 zu sehen. Öffnungszeiten: Mittwoch, Samstag, Sonntag 14 bis 18 Uhr. 

 

 

 

 

Schwabenrocker von der Alb

  

  

Text: Rüdiger Gramsch

 

Mit Schlager und volkstümlicher Musik hatten die Musiker um den Älbler Roger Dorn aus St. Johann (Kreis Reutlingen) nichts am Hut, als sie sich vor gut vier Jahren zusammentaten, um fetzige Country- und Rockmusik zu machen und diese in schwäbischer Mundart zu interpretieren. Doch ausgerechnet ein Schlager ist es, mit dem die „Alb-Dudler“ in  diesem Jahr Erfolge feiern. „Es ist ein Liebeslied, eine richtige Schnulze“, so Roger Dorn, der das Lied komponiert und getextet hatte. „Ich wollte das eigentlich den Amigos vermachen, doch dann hat uns das Lied so gut gefallen, dass wir es selber gesungen haben. „Ich stehe auch dazu“, so Roger Dorn. Zu Recht, es wurde der bislang größte Erfolg des Quintetts.

„Solang dein Herz schlägt“, so heißt der volkstümlich angehauchte Schlager, mit dem die „Alb-Dudler“ 2017 an der „Goldenen Alpenkrone“, dem internationalen Volksmusikwettbewerb im bayerischen Ainring teilnahmen. Die von Stefan Mross moderierte Konkurrenz beendeten die Schwaben mit dem vierten Platz. Auch wenn für die Band die Teilnahme zu einem unvergesslichen Erlebnis wurde – „wir haben da viele Musikerkollegen kennen und schätzen gelernt“, so Roger Dorn -  machte sich zunächst auch Ernüchterung breit. „Wir standen nicht auf dem Treppchen“, resümierte der Gitarrist, Sänger und Motor der „Alb-Dudler“. Doch nach dem Auftritt in Bayern und der damit verbundenen Berichterstattung tat sich unglaublich viel und schlussendlich landete der Titel im Programm von SWR4 in der volkstümlichen Hitparade. Dort belegte er auf  Anhieb den zweiten Platz, wenige zehntel Prozent hinter dem Sieger. Am Ende war Roger Dorns Schnulze viermal auf Spitzenplätzen dabei.

„Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet“, so Roger Dorn, der bei alle Liebe zu Oldies und Rockmusik den Schlager künftig mehr pflegen möchte. „Schlager liegen uns, Schlager im Stile von Wolfgang Petry, also mit viel Gitarre“. „Du bist schöner als Mona Lisa“ ist der neue Titel aus Dorns Feder, der an den Erfolg von „Solang dein herz schlägt“ anknüpfen soll. Beim nächsten internationalen Schlagerwettbewerb um die „Stauferkrone“ wollen die „Alb-Dudler“ auf jeden Fall mitmachen. „Der Wettbewerb ist ein Sprungbrett, das heute sonst nirgendwo mehr geboten wird“, weiß Dorn, der im Hauptberuf Zahntechnikermeister ist. Zur Band gehört auch Dorns Frau Karin. „Sie ist das Fundament unserer Gruppe“,  lobt ihr Mann und weiß wovon er spricht. Karin Dorn ist studierte Musikerin und leitet in St. Johann die örtliche Musikschule. Bei den §“Alb-Dudlern“ steht sie am Keyboard.  Zur Band gehören auch der Instrumentenbauer Joe (Joachim) Wirschning am Schlagzeug. Hans Sauer und Peter Rüdenauer (Gitarre und Bass) sind bereits Rentner, doch wenn sie Musik machen können, merkt man ihnen das Alter nicht an.

Trotz der Ausflüge in die Schlagerwelt  wollen  die „Alb-Dudler“ ihrem ursprünglichen Musikstil treu bleiben.  Mit selbstkomponierter Country- und Rockmusik mit Texten in schwäbischer Mundart. 2017 hat die Band im „Albstadl“ in Engstingen ihre erste CDU vorgestellt. „So isch’s Leba“ enthält zwölf Songs – mal bluesig, mal rockig und mal schmusig . Auch etwas zum Nachdenken“, beschreibt Roger Dorn die auf die CD gebrannten Titel. Die Ideen zu den Texten kommen Dorn beim Reiten oder Fahrradfahren oder er schnappt einen Satzfetzen in Gesprächen auf. Dann baut er um die Grundidee die Geschichte.

Die Resonanz der vielen „Alb-Dudler“-Fans auf die erste CD war überaus positiv und ermuntert zu einer weiteren Veröffentlichung. „Die kommt frühestens im Januar auf den Markt“, so Roger Dorn, von dem wieder die meisten Titel stammen werden. Gerne erinnert sich das Multi-Talent an die Anfänge der Band im Jahr 2014 zurück. „Ich wollte endlich eine feste Band haben“, so Dorn, der schon seit vielen Jahren musikalisch unterwegs ist. Für seine Auftritte, zum Beispiel beim SWR-Wettbewerb „Närrischer Ohrwurm“, musste  er sich stets seine Band zusammen. Das war ich Leid, ich wollte auch einen musikalischen Stil entwickeln“. So suchte er sich die Musiker für seine Band zusammen und ging da auch über die Schwäbische Alb hinaus. „Wir haben auch einen Schwarzwälder dabei“, verrät Dorn und stellt zufrieden fest, dass sich das Quintett nicht nur musikalisch bestens versteht, sondern auch menschlich. Die Idee zum Bandnamen „Alb-Dudler“ hatte übrigens Peter Rüdenauer auf der Heimfahrt vom ersten Treffen. „Ich hatte am Telefon erst Alm-Dudler verstanden und ihm gesagt, dass es diesen Namen schon gäbe. Das sei eine österreichische Kräuterlimonade. Erst beim zweiten Mal habe ich das richtig verstanden und fand den Namen gut“.

„Wir sind eine schwäbische Band“, beteuert Roger Dorn, auf dessen T-Shirt der Spruch „I ben groß  -dank Spätzle und Soß‘“ steht. Das soll so bleiben, verspricht der Motor der Band, verschweigt aber nicht, dass sein größter Wunsch ein Auftritt in der ARD-Show „Immer wieder sonntags“ mit Stefan Mross ist.

www.alb-dudler.de
2-2018

 

 

Aus dem Leben gegriffen

 

 

 

 

Text: Andrea Maier

 

„D'r Hannes soll 'rei komma!“ Wenn der Bürgermeister einer kleinen schwäbischen Gemeinde nach seinem Amtsboten brüllt, braust erster Jubel durch die voll besetzten Publikumsreihen. Alle wissen, was jetzt kommt, deshalb sind sie schließlich hier. Das Schlitzohr Hannes und der Bürgermeister versuchen Probleme zu lösen, Alltagssituationen in den Griff zu bekommen, in astreinem Schwäbisch – und, ganz ehrlich: sie schonen sich dabei gegenseitig nicht. Die Episoden von 'Hannes und der Bürgermeister' sind der absolute Renner des Volkstheaters, der „Komede-Scheur“, in der Mäulesmühle – und Monate im Voraus ausverkauft.

 

Die Szenen aus einem erfundenen und dabei erstaunlich realitätsnahen Rathaus hatte der Volksschauspieler Otto Braig für zwei bunte Programme geschrieben, für 'Kraut & Rüben' und 'Kartoffelschnitz & Spätzla'. Das war bereits 1968 -  Jawohl, vor genau 50 Jahren. Otto Braig schrieb und spielte leidenschaftlich gerne Mundart-Theater und gründete 1970 die Komede-Scheur bei der Mäulesmühle. „Davor spielte er mit seiner Truppe in der Burkhardtsmühle“, erzählt sein Sohn Albin, der das komödiantische Schauspiel in Mundart seine gesamte Kindheit und Jugend lang „hautnah, tagein, tagaus“ miterlebte. Als theaterbegeisterter Jugendlicher bevorzugte er jedoch „mit Freunden Stücke von Brecht und Wilder zu spielen“ und lernte das Handwerk des Schriftsetzers. „Es dauerte nicht lange, da wurde mir klar, dass auch Volkstheater was G'scheites sein kann - wenn man die Stücke selbst schreibt." Das tut er seither in zweimal zwei Wochen Urlaub pro Jahr. „Am Schreibtisch in den schönsten Urlaubsregionen." Und weil die Nachfrage ungebremst ist, beschäftigt der Unternehmer, Autor, Regisseur und Schauspieler neben vielen anderen Mitschaffenden auch Co-Autoren, sprich Ideen-Zulieferer. „Langweilig wird das nie“, ruft er beinahe empört auf die Nachfrage. „Alles, was wir machen, hat mit dem Leben zu tun – wie soll das langweilig sein!“ Und was kommt beim Publikum am besten an? „Na eben alles, was im echten Leben passiert, das machen wir – Nein! Darüber erzählen wir. Das eigentliche Geschehen findet in den Köpfen der Zuschauer statt.“ Das Rezept funktioniert seit Jahrzehnten hervorragend. Als Otto Braig 1997 starb, übernahm der Albin die Regie und führt seither das Unternehmen. Zu den immer neuen Folgen von 'Hannes und der Bürgermeister' entstehen unterschiedliche abendfüllende Programme und alle paar Jahre ein Theaterstück für das Ensemble der Mäulesmühle. Diesem gehört auch Albins Sohn Bastian Braig an, der mit seiner Film- und Fernsehfirma neben der Kultserie um Hannes und den Bürgermeister auch die Fernsehsendung "Freunde in der Mäulesmühle" sowie die Theaterstücke produziert. „Das würde den Otto, meinen Vater, schon freuen, wenn er erleben würde, wie wir alle daran mit schaffen, dass es weiter geht.“

 

Das legendäre Duo Albin Braig (Hannes) und Karlheinz Hartmann (Bürgermeister) kennen sich seit der Schulzeit in Weilimdorf. Die beiden Freunde gründeten 1971 in Stuttgart die Karlheinz Hartmann Electronic GmbH für Anlagen der Telekommunikation, später zur Leiterplattenfertigung. Anfang der 1990er Jahre zogen sich beide aus der Geschäftsleitung zurück und machten das Schauspiel-Hobby zum Beruf. "Spaß ist eine ernste Sache, Talent alleine reicht nicht. Da steckt harte Arbeit dahinter", sagt Albin Braig ganz ohne das schlitzohrige Hannes-Grinsen.

Das erfolgreichste Projekt der Hartmann-Braig'schen Zusammenarbeit war, ist und bleibt 'Hannes und der Bürgermeister', vom genialen Duo 1985 uraufgeführt. Seit 1994 werden die Szenen regelmäßig vom Südwestrundfunk ausgestrahlt. Die Aufzeichnungen finden in der Stadthalle Leonberg vor Publikum statt.

Seit Beginn der Fernsehaufzeichnung ist auch Herrn Stumpfes Zieh- und Zupfkapelle als urschwäbische Band mit dabei. Die unbeschreiblich kreativen Mundartmusiker gestalten die Pausen und begleiten 'Hannes und den Bürgermeister' auch auf ihren Touren durch das ganze Land.

 

Info www.maeulesmuehle.de
1-2018
 

 

 

 

„Das ist einer von den ganz Gescheiten…“ 

Text: Thomas Kießling

Pfarrstraße 11, inmitten von Göppingen. Hier war sie also, die sagenumwobene Lateinschule, in die der spätere Literatur-Nobelpreisträger Hermann Hesse ging. Heute ist sie nach kurzer Unterbrechung  ein schönes Bistro, sinnigerweise mit dem Namen „Latinum Bottega“.  In dem Gebäude bereitete sich Hesse damals auf das Landexamen vor, eine Prüfung für die landesbesten Schüler, die dann auf Staatskosten ins Kloster Maulbronn für den späteren Staats- oder Kirchendienst gehen konnten. Diese Zeit rund um das Examen und einen späteren Kuraufenthalt in Bad Boll hat Hesse in zahlreichen Werken verarbeitet. Kultur als bestes Standortmarketing.

„Was halten Sie von Giebenrath; er wird doch durchkommen?“, sagte der Klassenlehrer einmal zum Rektor. „Er wird, er wird“, jauchzte der Rektor. „Das ist einer von den ganz Gescheiten; sehen Sie ihn nur an, er sieht ja direkt vergeistigt aus.“ Das liest man in der Erzählung „Unterm Rad“ (Schullektüre Gymnasium Ba-Wü, 9. Klasse), in der Hermann Hesse seine Calwer Jugend und Teile seiner Erlebnisse rund um die Lateinschule Göppingen und schließlich der Klosterakademie Maulbronn verarbeitet hat – wie auch in der Erzählung „Der Lateinschüler“ und später im Roman „Glasperlenspiel“, für den Hermann Hesse 1946 den Goethe-Preis und schließlich den Literatur-Nobelpreis erhielt. Man wollte mit letzterem in der Königlich Schwedischen Akademie offenbar ein Zeichen setzen. Von deutschem Boden gingen die sechs Jahre zuvor nicht nur die schrecklichsten Ereignisse aus, sondern weit davor auch viel Kultur im Volk der Dichter und Denker.

Hesse verlebt zunächst glückliche Zeiten in Göppingen. Im Februar 1890 kommt der zwölfjährige Hermann zur Vorbereitung auf das Landexamen in Stuttgart nach Göppingen in die dortige Lateinschule des Rektors Otto Bauer (1830-1899). „Ich habe mit der Schule im allgemeinen nicht viel Glück gehabt, aber die einstige Göppinger Lateinschule ist mir durch einen originellen … Lehrer in genauer und teurer Erinnerung geblieben. (Ohne ihn) … hätte meine Phantasie keinen Anlass gehabt, sich mit der Konzeption einer Idealschule zu beschäftigen, wie ich sie dann … im Glasperlenspiel beschrieben habe.“ Hermann Hesse schafft es schließlich auf die Landesakademie, aber dann geht es wie „Unterm Rad“ beschrieben wird, mit ihm, mit Hans Giebenrath, dahin, zerrieben von Pietismus, Pubertät, Lehrerehrgeiz, übermäßige Strenge der Obrigkeit und übertriebenem Ehrgeiz des Vaters. Er entwich aus dem Seminar, weil er „entweder Dichter oder gar nichts“ werden wollte und wurde erst einen Tag später auf freiem Feld wieder aufgegriffen. 

Nach dem siebenmonatigen Aufenthalt im Klosterseminar (1892) bringen ihn seine Eltern wieder in den Kreis Göppingen, in die Kur-Anstalt von Bad Boll, herrlich gelegen am Albtrauf. Sie erhoffen sich von Christoph Blumhardt (1842-1919), dem berühmten Leiter des religiösen Erweckungs- und Heilungszentrums, Hilfe und das Herausfinden des „eigentlichen Grundes seiner Missbildung“, das heißt, seines eigensinnigen Verhaltens, das ihn zur Flucht aus dem Seminar in Maulbronn bewogen hatte. Ein missglückter Selbstmordversuch des 14-jährigen setzt aber schon nach 14 Tagen dem Aufenthalt in Bad Boll ein rasches Ende und Hermann Hesse wird in der Heil- und Pflegeanstalt Stetten im Remstal untergebracht. Hesse hat seine Auflehnung gegen alle Autoritäten und schließlich den Aufenthalt in Bad Boll in der Novelle „Heumond“ literarisch verewigt (unter anderem im Blumhardt-Schauraum in der Villa Vopelius der Evangelische Akademie Bad Boll zu sehen).  

Der weitere Lebenslauf von Hermann Hesse verläuft schließlich erfolgreich, und wie.  Er schließt eine Buchhändlerlehre in Tübingen ab, nachdem er die erste noch abgebrochen hatte. Dazwischen erscheinen bald erste Werke von ihm. Der Autor von „Demian“, „Siddhartha“,  „Steppenwolf“ und „Narziss und Goldmund“ und als Krönung „Gasperlenspiel“, an dem Hesse übrigens von 1932 bis 1942 zehn Jahre lang gearbeitet hatte und das ein Jahr später erscheinen wird, gilt als einer der erfolgreichsten Autoren aller Zeiten: mit rund 150 Millionen verkauften Büchern, die in unzählige Sprachen übersetzt und auf der ganzen Welt verbreitet sind. Und viele Grundlagen dazu hat Hesse in Göppingen und in Bad Boll mitbekommen.   

Info: Hermann Hesse, geboren am 2. Juli 1877 in Calw, Königreich Württemberg, gestorben am 9. August 1962 in Montagnola, Kanton Tessin, Schweiz, als Sohn eines deutsch-baltischen Missionars, war durch Geburt russischer Staatsangehöriger. Von 1883 bis 1890 und erneut ab 1924 war er Schweizer Staatsbürger, dazwischen besaß er das württembergische Staatsbürgerrecht.

 

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
 

Hermann Hesse schrieb das Gedicht am 4. Mai 1941 nach langer Krankheit

 

 

Zwischen Schauspiel und Schlager 

 

 

Text: Rüdiger Gramsch

Bianca Spiegel ist eine vielseitige Künstlerin. Die Stuttgarterin spielt Theater, singt in Musicals, spielt in Filmen und profiliert sich als Sprecherin. Zudem macht sie als Schlagersängerin Karriere. 2015 gewann sie mit „Cherchez la femme“, einem Titel aus der Feder der Komponistenlegende Christian Bruhn, den Internationalen Schlagerwettbewerb „Stauferkrone“ in Göppingen, vor wenigen Wochen stellte sie mit „Ja, ich will“, ihr neuestes Lied vor. Am 10. August 2018 war Bianca Spiegel Gast  in der Sendung „Kaffee oder Tee?“ im Südwestfernsehen.Mit der Musik kam Bianca Spiegel bei der musikalischen Früherziehung in Berührung. Sie lernte Flöte spielen und Klavier. In diese Zeit fiel auch ihr erster Auftritt mit ihrer Schwester. „Das war ein Klavierkonzert, ich war so klein, dass ich mich daran kaum noch erinnern kann“, erzählt sie.  Gesangsunterricht bekam die gebürtige Stuttgarterin erst auf der Schauspielschule. Zuvor  hatte sie das Abi gebaut und eine Ausbildung zur fremdsprachlichen Wirtschaftskorrespondentin gemacht. Nach der Schauspielschule kamen für sie die ersten Musicalengagements und Bandprojekte. 2005 war für Bianca Spiegel ein wichtiges Jahr. Zum einen erhielt sie ein mehrjähriges Engagement am Staatstheater Stuttgart, wo sie in „Faust 21“ und „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ spielte, zum anderen bekam sie eine Rolle in dem Familienmusical „Kennt Ihr Blauland?“. Mit der Karriere ging es für die  leidenschaftliche Salsatänzerin und Bergsteigerin immer weiter bergauf. Auf dem Stuttgarter Theaterschiff spielte sie u.a. die Hauptrolle in „Suche impotenten Manns fürs Leben“, sang im Elton-John-Musical „Aida“ in Bad Säckingen“ und in dem von Alan Ayckbourn geschriebenen Musical „Träumereien um ein Sommerhaus“ die Hauptrolle der Belle am Theater in Baden-Baden. In diesem Jahr brillierte  sie in „Don Juan“ im Atelier-Theater Stuttgart, im Musical „Jesus Christ Superstar“ bei den Schlossfestspielen Zwingenberg und als Hilda in dem Stück „Feuersee Stunde Null“ im Theaterhaus Stuttgart.


www.biancaspiegel.de
1-2018

 

 

Kunst am Ei 

 

 

 

Text: Andrea Maier

1993 wurde das ehemalige Erpfinger Schulhaus in ein Museum umgewandelt. Seither dreht sich in diesem Haus alles um ein kleines Ding, das ein Teil des hierzulande üblichen Osterbrauches ist. Das Osterei.  Hühner, Enten, Gänse und die meisten andere Vogelarten legen Eier, in denen ihr Nachwuchs heranreift. Welche Bedeutung haben die ovalen, perfekt geformten Eier im Osterbrauchtum? Warum werden die sogenannten Ostereier seit Jahrhunderten bemalt und geschmückt? Welche Möglichkeiten der Verzierung sind bekannt? Wie gestalten Menschen in anderen Ländern ihre Ostereier?

Im Erpfinger Ostereimuseum, das in Deutschland übrigens das erste seiner Art war,  werden diese und viele Fragen mehr auf durchweg interessante Weise beantwortet. Eine schier unglaubliche Zahl von verzierten Eiern in unterschiedlichen Größen, mannigfaltig bemalt, bedruckt, umgarnt, begeistert seit mittlerweile 24 Jahren Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Die engagierte Museumsleiterin Anna Barkefeld findet immer neue interessante Aspekte, unter denen das Osterei betrachtet werden kann. Sie organisiert regelmäßig Sonderausstellungen und vielseitige Aktionen, die von den Museumsgästen, als spannende Ergänzung zur Dauerausstellung, mit regem Zuspruch bedacht werden.
Ein Höhepunkt ist der große kunsthandwerkliche Ostermarkt Museum, der bereits auf eine  lange Tradition zurückschauen kann und bis 17. April Österliches aus vielen Handwerksbereichen bietet. Verschiedene Mal-, oder auch Backkurse bereiten Erwachsenen und Kindern größte Freude, denn was gibt es Schöneres als ein selbst gestaltetes Osterei! Und weil Kinder und Jugendliche meist eine andere Sicht auf die Dinge haben als Erwachsene, gibt’s ein spannendes Quiz, mit dem Kids das Ostereimuseum auf eigene Faust erkunden können. In der Osterzeit sind an der Museumskasse übrigens hart gekochte Eier erhältlich. Mit denen lässt es sich prima auf der Rugelbahn spielen, und anschließend: Guten Appetit. Im kleinen, aber feinen Museums-Shop kann man schöne und außergewöhnliche Dinge kaufen: von Ei-Objekten in verschiedenen Techniken, über Postkarten, Schmuck, Halsketten, Holz-Eier, Holz-Engel, Keramik-Hühner bis hin zu Büchern für Kinder und Erwachsene. Dank dem vielseitigen Veranstaltungsprogramm und der wirklich interessanten Ausstellung lohnt sich ein Besuch auch außerhalb der Osterzeit. Daher ist das Ostereimuseum auch nur im tiefsten Winter geschlossen - frei nach dem Motto: Nach Ostern ist vor Ostern.

Info:  Osterei-Museum Steigstraße 8 72820 Sonnenbühl-Erpfingen Telefon 07128 - 774
www.ostereimuseum.de
1-2017

 

 

Kultur-Genuss im Dorf

 

  

 

Text: Andrea Maier

Wer kennt sie nicht? Die Jungs von Herrn Stumpfes Zieh- & Zupf-Kapelle, die seit 25 Jahren skrupellose Hausmusik schmettern! Die Vier sind Kult, weit über den süddeutschen Raum hinaus. Sie sind berühmt, begehrt, umworben und: Sie haben zwischen all den sagenhaften TV- und Radioauftritten, den vielen ausverkauften Konzerten auch ein Leben daneben. Benny Banano beispielsweise. Er spielt in der Kapelle Tuba, Kontrabass, Gitarre, singt und macht Faxen. 

Abseits der Zieh- & Zupf-Kapelle heißt Benny mit Nachnamen Jäger, ist oben auf der Alb, in Gerstetten, aufgewachsen und seit vielen Jahren mit Sonja verheiratet. Sonja Banzhaf stammt aus einer traditionsreichen Landwirtschaft mit legendärem Gasthaus und begleitet als Inklusionsfachkraft Schüler mit Handicap an Regelschulen. Benny und Sonja haben miteinander zwei erwachsene Kinder und einen einzigartigen Lebenswohnraum in Erpfenhausen. Soweit so gut. Die beiden schätzen Musik und Humor, sie mögen Theater mit Niveau, gutes Kabarett, Tanz, Feste und Leute, die etwas davon oder all das genießen. Als Sonja den elterlichen Hof mit Wirtshaus von ihrer Familie übernahm, drängelte sich eine Idee in den Vordergrund: „Wir machen hier genau unser Ding!“ Sie nahmen Zollstock, Hacke und Schaufel in die Hände und legten los. Von 2008 bis 2009 bauten die beiden mit Architekten und etlichen Helfern Stall und Scheune um. Behutsam haben sie vieles vom Alten belassen, mutig ebenso vieles erneuert, großzügig erweitert, das Ganze feinsinnig gestaltet und mit viel Herz bereichert.Ein sagenhafter Mehrzweckraum ist entstanden: alte Mauern, massige Holzbalken, ausgefeilte Licht- und Tontechnik, Mobiliar für wirklich alle Gelegenheiten und Geschmäcker. Wo einst Kühe und Kälber gefüttert wurden, ist heute einer der schönsten Speiseräume weit und breit. Die alten Nebengebäude können Dank technischer und handwerklicher Raffinesse flugs umgewandelt werden, je nach Bedarf in eine Hochzeitskapelle, ein Gästezimmer, eine Freiluftbühne, eine Werkstatt.

Seit 2009 organisieren Sonja Banzhaf und Benny Jäger in ihrem Stadl die „Kultur4Jahreszeiten“. Musik, Theater, Kabarett vom Feinsten. Berüchtigte Knaller wie Bernd Kohlhepp, also „Hämmerle privat“, ebenso wie noch unbekannte Künstler, die auch mal Neues wagen. Zusätzlich zum Kultur-Frühling, -Sommer, -Herbst und -Winter haben Banzhaf und Jäger  „außer der Reihe“ eingerichtet – Veranstaltungen, die in keine Schublade passen, aber herausragend gut sind. Schon der Weg hin zum Kulturhof Erpfenhausen ist schön. Abgebogen von der Landstraße, öffnen sich Wacholderheide, Wiesen, Wald - sanft gehügelt. Die Straße endet in Erpfenhausen, dem kleinen Weiler bei Gerstetten, mit rund 15 Einwohnern. Wo einst Wanderer im Banzhaf'schen Gasthaus „zur Heide“ einkehrten, kann man jetzt Kultur genießen und nach Herzenslust Feste feiern. Sonja und Benny sind gerne Gastgeber, sie organisieren und realisieren frohgelaunt, was der Gäste Herz begehrt.


Info www.kulturhof-erpfenhausen.de und www.tagen-erpfenhausen.de
2-2016

 

 

Ein Missionar des Schwäbischen

 

  

 

Text: Tim Baldur

Man kennt ihn aus dem Fernsehen, aus der SWR-Serie „Laible & Frisch“: Winfried Wagner alias Walter Leible. Eine Rolle, die ihm auf den Leib geschrieben war und ist. Im Dezember 2017 kommt mit „Da goht dr Doig“ die lang erwartete Fortsetzung in die Kinos. Wen Winfried und Sabine Wagner zu sich nach Hause einladen, für den steht der Herr des Hauses gerne in die Küche. Kochen ist seine zweite Leidenschaft, wie der Hausherr zugibt. Dabei legt er auch großen Wert auf heimische und regionale Produkte. Diesmal gibt es eine köstliche „Käswähe“, den Teig dazu hat er schon morgens vorbereitet. Garniert das ganze mit einem frisch angemachten Salat von seiner Frau Sabine. Gemütlich ist es in Dettingen an der Erms im Hause Wagner. Gemütlich und bodenständig eingerichtet, so wie es die Wagners selbst auch sind. Authentisch eben.  

Und Winfried Wagner, 1949 in Metzingen geboren, gelernter Bankkaufmann und Absolvent der Hamburger Autorenschule, ist ein Schaffer, im besten schwäbischen Sinne. Gerade hat er sein 19. Buch „Die 30x30 besten schwäbischen Witze“ veröffentlicht. Die Veröffentlichung eines Buches ist für ihn nichts Aufregendes mehr. „Ich kann mich noch daran erinnern, als meine Mutter einmal anrief und fragte, ob es etwas Neues gebe. Ich habe verneint, obwohl genau an diesem Tag mein sechstes Buch erschienen ist“, erzählt er. Schon daran könne  man sehen, wie schnell man sich an was gewöhnen könne, und fragt gleichzeitig, ob es denn noch etwas Käswähe sein darf. 

Überhaupt, schreiben wird Winfried Wagner wohl immer. Ein Leben ohne Schreiben und Bücher ist für ihn nicht vorstellbar. Ein Rezept, wie man am besten schreibt ,hat auch er nicht. Man muss den Anfang und das Ende der Geschichte kennen, dann beginnt irgendwann während des Schreibens sich ein Eigenleben der Personen und der Geschichte zu entwickeln und man  muss aufpassen, dass  man Schritt hält und das Heft nicht aus der Hand gibt. „Geschichten findet man jeden Tag, man erlebt ja auch jeden Tag etwas“, sagt Wagner mit einem Schmunzeln. „Wenn ich da nur an unseren Urlaub auf Teneriffa denke, was da alles passiert ist…“.  

Das Heft in der Hand, was die vielen Auftritte und die Vermarktung von Winfried Wagner überhaupt betrifft, das hat seine Frau Sabine. „Sie ist meine externe Festplatte“, sagt er mit einem liebevollen Lächeln an sie gerichtet. „Sie erinnert sich  noch auf den Tag genau an wirklich jedes Geschehnis und hat alle Termine, samt deren Dauer, im Kopf abrufbereit“. Bis Weihnachten sagt sie deshalb auch gleich, sind schon alle Wochenenden ausgebucht. Das kann man durchaus als Erfolg bezeichnen, vor allem, wenn man aussschließlich als „Missionar des Schwäbischen“ unterwegs ist. 

Um dem allem gerecht zu werden, gibt es im Hause Wagner auch eine Arbeits- und Zeitaufteilung. Nach dem gemeinsamen Frühstück, seine Frau liest die Zeitung immer zuerst, geht jeder in seinen eigenen Arbeitsraum. Sabine bearbeitet alles Schriftliche, von Auftrittsanfragen über Buchbestellungen und alles andere. Winfried hingegen widmet sich jeden Morgen erst seiner Korrespondenz und beginnt dann entweder zu schreiben, eine Rolle zu lernen oder sich ganz konkret auf einen Auftritt vorzubereiten. Denn, auch das ist eines seiner Credos, es wird niemals genau denselben Auftritt von und mit ihm geben. Obwohl er, durchweg im positiven Sinne, „als alter Hase“ in diesem Geschäft bezeichnet werden kann, bereitet ihm eines mehr Lampenfieber als alles andere: dann, wenn er in seiner Heimat, sprich Dettingen oder Metzingen auftreten soll. Beispielweise bei den „Dettinger Kabaretttagen“. Nie und nimmer hätte er gedacht, dass da mit über 500 Besuchern die Schillerhalle gefüllt war. „So was ist immer ein ganz besonderes und tolles Erlebnis und eine riesengroße Bestätigung meines Schaffens“, gibt er unumwunden zu.  Und ein Datum wird  er auch nie mehr vergessen. Das war 1976. Als zum ersten Mal sein Name im Radio genannt wurde, als eines seiner Hörstücke veröffentlicht wurde. Immer wenn ihr Mann einen Auftritt hat sitzt Sabine Wagner am Büchertisch, übernimmt in den Pausen den Verkauf und fertigt dazwischen die verschiedensten Handarbeiten.

Hinzu kommen seit dem Erfolg der Fernsehserie „Laible & Frisch“ auch immer wieder Drehtermine. So erst kürzlich für den Trailer des Kinofilms „Da goht dr Doig“ in einem Stuttgarter Boxcamp. „Das war und ist für mich eine ganz andere Welt, aber sehr interessant und spannend“, berichtet Wagner. Wenn man beispielsweise eine Szene vier- oder fünfmal wegen der Kameraeinstellung oder des Lichts drehen müsse. Mit Theaterspielen habe das nicht mehr viel zu tun.  Noch gut kann er sich an die Anfänge dieser Erfolgsstory erinnern. Ein junger Dettinger Student der Stuttgarter Filmakademie, namens Frieder Scheiffele, rief an und fragte, ob er denn einmal vorbeikommen könne. Scheiffele wollte den Dettinger Humoristen dazu überreden, für seine Abschlussarbeit acht Tage kostenlos zu Filmaufnahmen zur Verfügung zu stehen. Eben für den ersten Pilotfilm von „Laible & Frisch“. Mit diesem Pilotfilm hatte Scheiffele nicht nur seinen Abschluss mit Bravour bestanden, sondern der Südwestrundfunk war sogar bereit dazu, daraus eine Serie für das Vorabendprogramm werden zu lassen. Dieser Erfolg gipfelt jetzt im ersten Kinofilm mit „Laible & Frisch“, der nächstes Jahr in die deutschen Kinos kommen wird.
Und wie wird im Hause Wagner Weihnachten gefeiert? „Besinnlich, ruhig und  mit der Familie“, heißt hier die Antwort. Mit gemütlichem und gutem, selbstzubereitetem Essen und Gesprächen, mit Kraft tanken für die vielen neuen Aufgaben, die 2017 auf die Wagners zu kommen werden. Und viele werden sie sehen können, egal ob auf der Bühne, im Fernsehen im Kino oder entspannt mit einem Buch.

Info: www.winfriedwagner.de
3-2016

 

 

Alb-Ansichten im OF7

 

 

 

 

 

Text: Andrea Maier

 

In einer ehemaligen Offiziersunterkunft im „Alten Lager“  in Münsingen bezaubern gemalte Alb-Ansichten von Künstlern, deren Heimat die Schwäbische Alb war. Aus den 160 ausgestellten Werken der Alb-Maler weht Vergangenes in die Gegenwart und macht Entwicklung sichtbar. 

Martin Rath ist viel unterwegs, arbeitet in verschiedenen Ländern Asiens. Aufgewachsen ist er am Fuße der Reutlinger Alb. Hier lebt er mit seiner Familie und hier genießt er Ruhe und den freien Blick in wunderschöne Landschaft. Den leidenschaftlichen Kunstsammler fasziniert besonders afrikanische Kunst. Bei einer Auktion fiel sein Blick zufällig auf ein kleines unscheinbares Aquarell. „Schäfer mit Schafherde“, wurde von Jakob Plankenhorn Anfang des 20. Jahrhunderts gemalt. „Die Blickrichtung ist ähnlich der von unserer Terrasse aus. Auf dem Hügel da hinten haben wir Skifahren gelernt.“ Dieser ganz persönliche Bezug gab den Ausschlag, Rath kaufte das Kleinod und seine Aufmerksamkeit war geweckt.

Immer häufiger schauten er und seine Frau sich Bilder von Malern der Schwäbischen Alb an. Mittlerweile besitzen sie ziemlich viele. Darunter Bilder von Felix Hollenberg (1868- 1945) oder Christian Landenberger (1862-1927), die in Gomadingen und Albstadt eigene Museen haben. Etliche Werke stammen jedoch von Malern, deren Bekanntheit kaum über die Ortsgrenzen hinaus reichte.

Der rein materielle Wert dieser mittlerweile wohl umfangreichsten Sammlung von Alb-Malerei sei „überschaubar“. Martin Rath geht es vielmehr darum, „regionale Identität, wie auch die kulturelle und künstlerische Entwicklung anschaulich zu machen“. In den Gemälden ist die räumliche und gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen 150 Jahre sichtbar. Typische Alltagsszenen sind ebenso zu erkennen, wie vom jeweiligen Zeitgeist geprägte Vorstellungen von Natur und Idyll. Viele der Alb-Maler-Bilder zeigen die Landschaft, wie sie ausgesehen hat, als auch die große Militäranlage bei Münsingen gebaut wurde (1895).

 

Hier schließt sich der Kreis: Franz Tress, Gründer der gleichnamigen Nudelfabrik, hat weite Teile des ehemaligen Militärgeländes bei Münsingen erworben und plant sein „Alb-Gut“ als vielfältiges Tourismus-Magnet. Neben „Gläserner Produktion“, Herbergen, Festsälen, Gastronomie, einem Markt für regionale Produkte und vielem mehr, soll auch ein Kunsthaus das „Alte Lager“ beleben. Rath und Tress trafen zusammen. Der eine suchte Kunst, der andere hat sie und die Schwäbische Alb gibt das verbindende Element. Sie ließen die Wände in den vom Denkmalamt vorgeschriebene Pastelltönen streichen und hängten rund 160 Bilder in den 18 Stuben auf, in denen einst die Betten der Offiziere standen. Die Heizung funktioniert, die Wände sind trocken - mehr ist vorerst nicht nötig.

Im September wurde das Alb-Maler-Museum eröffnet.

 

Seither hat das Gebäude OF7 wohl schon mehr Besucher gesehen als in den vergangenen Jahrzehnten zusammen. Kein Wunder, denn das umgebende Biosphärengebiet ist zu jeder Jahreszeit für Wanderer und Spaziergänger wunderschön und das „Alte Lager“ historisch interessant. Das Biosphärenzentrum in direkter Nachbarschaft bietet für alle Altersgruppen hervorragend aufgearbeitete Informationen und vielerlei Veranstaltungen.

Besucher aus allen Regionen der Schwäbischen Alb tauchen im Alb-Maler-Museum in vergangene Zeiten, entdecken längst Vergessenes, kommen ins Gespräch, teilen Ansichten. Liebhaber von Malerei geraten genauso wie Alb-Freunde ins Schwärmen.  Martin Rath und sein Bruder Thomas, der die Ausstellung vor Ort betreut, erfahren in so manchem Gespräch mehr und mehr über die Künstler und über die Alb. Vieles davon schreiben sie auf, ein Ausstellungskatalog entsteht. 

 

Info: www.albmaler.de
3-2016

 

 

 

Grausiges im Morgengrauen

 

 

 

 

 

Text: Andrea Maier

 

Wenn die Tage kürzer werden, ist es wunderbar gemütlich, sich mit einem Buch in den Sessel zu kuscheln und in erfundene Geschichten einzutauchen. Besonders erdachte Verbrechen und menschliche Untiefen lassen wohlige Schauer über den Rücken huschen. rauschen. Vor allem dann, wenn die Schauplätze von Krimis in der Region liegen und dem Leser vertraut sind. 

Die raue Schwäbische Alb mit ihren eigenwilligen Bewohnern, den geheimnisvollen Höhlensystemen, kargen Hochflächen und schroffen Schluchten, ist als Schauplatz für Geschichten bestens geeignet. Neben Lyrik, naturkundlichen Sachbüchern und historischen Romanen werden vor allem Alb-Krimis geschrieben. „Albeins“ hat den Krimi- und Sachbuchautor Jürgen Seibold besucht. Sein aktueller Roman „Lindner und das schwarze Schaf“ erschien im Oktober und erfreut sich bereits größter Beliebtheit.

 

„Der Schäfer Jo Meißner macht im Morgengrauen auf dem Kornberg bei Gruibingen eine grausige Entdeckung: Sein Vater, Seniorschäfer Ernst Meißner, liegt tot und übel  zugerichtet auf der Weide, … LKA-Kommissar Stefan Lindner wird aus seinem Urlaub zurückgerufen ...“ (Auszug aus der Ankündigung des Silberburg Verlages)

 

So ein bisschen muss er selber lachen, wenn der Kommissar Stefan Lindner immer so hypochondrisch daherkommt. Auch in der druckfrischen Geschichte „Linder und das schwarze Schaf“ fürchtet der „bähmullige“ Hauptkommissar aus Bad Boll schon bei geringfügigem Unwohlsein eine lebensbedrohliche Krankheit. Schelmisch grinsend lädt Lindners Erfinder, Jürgen Seibold, seine Zuhörer in einer Buchhandlung ein, sich über die Hauptfigur der Schwäbische-Alb-Krimi-Reihe lustig zu machen. „Nur späßleshalber!“, ruft er, denn tatsächlich ist dem erfolgreichen Krimiautor daran gelegen „so zu schreiben, dass mir niemand böse ist.“

Mit viel Liebe zur jeweiligen Region ersinnt der ehemalige Journalist bemerkenswert produktiv eine ganze Menge Verbrechen: Im Allgäu lässt er das Nordlicht Hansen ermitteln, im Remstal schickt er Kommissar Schneider los, rund um Stuttgart löst der Bestatter Gottfried Froelich Ungereimtheiten bei Todesfällen und auf der Alb, da bruddelt und sinniert sich eben genannter Kommissar Lindner durch besonders kuriosen Fälle. Ganz ehrlich: Hätten Sie gedacht, dass ein Opfer mit Äpfeln erschlagen, mit Spülmittel erstickt oder von Wölfen ... ? Nun ja, Autor Jürgen Seibold hat seinem Lindner außerordentliches Talent beim Lösen derartiger Merkwürdigkeiten zugeschrieben. Die Leser werden ins Staunen geraten, soviel sei vorweg genommen.

Da der vielbeschäftigte Geschichtenerzähler in freien Stunden gerne über die Alb spaziert, ebenso gerne Pausen macht und dabei die regionalen Köstlichkeiten entlang der „blauen Mauer“ genießt, ist alles auf's Beste recherchiert. Dörfer, Straßen, Bäume, Gärten, Wirtschaften – (fast) alles wie in echt. Nur beispielsweise Wohnungen, Fahrzeuge, Lieblingswirte oder ähnlich Persönliches der Beteiligten ist ausgedacht. Auch das, was geschieht, ist der Realität zwar oft verblüffend nahe, aber in jedem Fall „konsequent erfunden“.

Dies und vieles mehr berichtet Jürgen Seibold mit Humor und Selbstironie bei den Lesungen in Buchläden, Weinkellern, Bildungseinrichtungen, Gast- und Kulturhäusern. Er liest am liebsten im Stehen, ein Apfelschorle vor sich. Mit komödiantischem Talent holt er sein Publikum in die Geschichten hinein und entlässt sie mit einem Augenzwinkern wieder ins echte Leben. Ab und an gibt der begeisterte Hobbymusiker Seibold dabei auch ein paar Stücke mit der Gitarre zum Besten.

 

Wenn im Frühjahr dann genug Bücher gelesen sind und wärmende Sonnenstrahlen wieder nach draußen locken, sind die „Mordstouren“ zu den Orten des Geschehens ein ganz besonderes Vergnügen. Mal solo, mal unterstützt von Schauspielern, wandert Jürgen Seibold mit Gruppen krimibegeisterter Wanderer über die Alb, im Remstal oder durch Stuttgart. Ein paar Utensilien des Verbrechens führt er dabei gerne mit sich und selbstverständlich ein zünftiges Vesper. 

 

Info: www.juergen.seibold.de
3-2016

 

 

 

 

Lieder in Poesie und Dialekt

 

 

Text: Ulrike Luthmer-Lechner

Harald Immig, der Barde mit schwäbischem Zungenschlag  und imposantem Wuschelkopf, ist ein echtes Urgewächs vom Hohenstaufen. Als Liedpoet, Maler und Dichter wurde das Multitalent vielfach ausgezeichnet und das beruht nicht zuletzt auf Schwäbischem Fleiß.„Ich spreche aus, was Menschen in sich tragen, verpackt mit Witz und Poesie“,  so der Künstler vom geschichtsträchtigen Hohenstaufen. Der Kaiserberg ist sein Lebenselixier, schon seit Kindesbeinen. „Hier ist für mich Heimat, hier sind meine Wurzeln“. Inspiriert durch die Landschaft und ihre Menschen schöpft der 69jährige Schwabe Kraft und Ideen für seine künstlerische Arbeit. Wo Harald Immig auftritt, findet er sein Publikum und  das Publikum findet  ihn. In der starken Verbindung von Musik, Gesang und  seiner persönlichen Ausstrahlung fasziniert er seine Mitmenschen immer wieder aufs Neue. Wer in unserer schnelllebigen Zeit eines seiner Konzerte besucht, wird auf wundersame Weise entschleunigt, gefangen und berührt. Sinniges, Tiefgründiges, Filigranes, der Liedermacher versteht es exzellent, den Blick zu schärfen für die kleinen, die selbstverständlichen Dinge des Lebens. Für Heiterkeit und herzhaftes Lachen sorgt Harald Immig, wenn er seinen  mit Mutterwitz gespickten Humor aufblitzen lässt, etwa beim  „Bimbele“ oder beim Spaziergang durch  „Erkenbrechtsweiler“.  Das gekonnte Verweben von kleinen Anekdoten und seinen Liedern, jene Mischung aus poetischen Klangbildern, bald leisen, melancholischen Tönen, bald schwäbisch-knitzen Zwerchfell-Attacken, macht den Charme der Immig-Konzerte aus. Seit 40 Jahren versteht er es mit eigenen Liedern, vorwiegend in schwäbischer Mundart, die Balance zwischen Botschaft und Musik zu vermitteln. „Das Publikum ist mit mir älter geworden, aber es kommen  immer neue Besucher dazu“, freut sich der Künstler mit der lockigen Mähne. Zur Tradition geworden sind seine romantischen Konzerte auf Burgen  und Schlössern. Oft wird er dabei begleitet von Klaus Wuckelt mit Mandoline und Lyra sowie der Mezzosopranistin und Gitarristin Ute Wolf. Zwischen leisem Sprechgesang und kräftiger Liedermacherstimme trifft der Barde immer den richtigen Ton.

Der neuzeitliche Troubadour weiß längst, dass Kunst mit Sinneswahrnehmung zu tun hat. Mit offenen Augen streift er durch die Landschaft, zückt Palette und Leinwand  und hält fest, was er sieht. In seinen Aquarellen bewahrt er die schönsten Momentaufnahmen der Natur für die Ewigkeit. Die herben Landschaften von Irland, Schottland, Skandinavien und der Schwäbischen Alb bevorzugt der weitgereiste Maler, ins Herz geschlossen habe er auch die sanften Landstriche der Toscana, doch sein Lieblingsmotiv bleibt der Hohenstaufen zu allen Jahreszeiten und in allen Nuancen. Vom Kaiserberg aus sieht er der Natur ins Herz, etwa bei zauberhaften Morgenstimmungen und spektakulären Sonnenuntergängen.  „Die Menschen im Tal sehen dies größtenteils gar nicht,“ deshalb wird er dann und wann schon mal der Übertreibung ob seiner gemalten grandiosen Farbspiele am Himmel bezichtigt.  „Die Leute sagen dann, das ist ein Harald-Himmel“, lacht der Künstler.  Seit 30 Jahren gibt es die kleine, feine Galerie Harald Immig im Dorf Hohenstaufen. Durch einen liebevoll gestalteten Blumengarten wird der Besucher im Inneren seines schmucken Elternhauses aus dem Jahr 1740 zu einem Bummel durch blühende Bäume und bunte Blumen eingeladen. Nicht nur in seinem kleinen Garten werkelt der naturverbundene Künstler gerne, täglich spaziert er auf oder um seinen Hausberg Hohenstaufen herum. „Die Gesundheit zu erhalten ist das Wichtigste“, weiß er. Neben körperlicher Bewegung und ausgewogenem Essen bedeutet ihm auch die geistige Nahrung viel.

„Ich lese sehr gerne und wenn ich male, lausche ich Hörbüchern“. Gedächtnistraining steht bei ihm täglich auf dem Programm. „Man muss jeden Tag etwas Neues lernen“. Seine persönlichen Ziele hat er fest im Blick: „Malen werde ich immer, bis zumLebensjahr will ich singen, zwischen 80 und 90 erzähle ich Geschichten und danach gehe ich nur noch spazieren“.

www.galerie-immig.de