Einmal so spielen wie Andreas Gabalier
Text: Günter Hofer
Die Steirische Harmonika hat in den letzten Jahren einen Siegeszug angetreten. Das einst von einem Wiener entwickelte Musikinstrument der Volks- und Heimatmusik ist mittlerweile bei vielen Hobbymusikern beliebt und wird wegen seinem lieblichen, weich-warmen Klang gerne gespielt und gehört.
Florian Silbereisen spielt sie, Andreas Gabalier spielt sie oder auch der Schweizer Mundart-Popsänger Marc Trauffer. Sie haben mit vielen anderen bekannten Künstlern massiv mit dazu beigetragen, dass die äußerlich ein wenig dem Akkordeon ähnelnde Steirische Harmonika nicht wie einst nur im Alpenland gespielt wird, sondern in allen Teilen von Deutschlands eine Renaissance erlebt. Auch Musiklehrerin Ingrid Klingler mit ihrer Musikschule „Harmonikatraum“ aus dem Bad Überkinger Ortsteil Unterböhringen (Kreis Göppingen) trägt mit dazu bei.
Das Akkordeon und die Steirische Harmonika, liebevoll oft auch als Ziehorgel, Quetschen oder Zircha bezeichnet, sind aber zwei grundlegend verschiedene Instrumente. Wer zum Beispiel die Harmonika erlernen will, braucht keine Notenkenntnisse und es kann garantiert werden, dass bereits nach wenigen Übungsstunden das erste Einzelstück gespielt werden kann. Die Steirische Harmonika wird von gut einem Dutzend Herstellern in Deutschland, Österreich, Slowenien und Südtirol gefertigt.
Das Instrument hat auf der linken Seite den Bassteil für die Begleitung – in der Regel 16 Knöpfe – und rechts wird die Melodie auf den Knöpfen des Diskantteils gespielt. Ungewöhnlich dabei, auf Zug oder Druck erklingt ein anderer Ton. Nur auf einem Knopf gibt es zur Fingerorientierung bei Zug und Druck den selben Ton (Gleichton). Angeboten wird die Harmonika in drei-, vier- oder fünfreihiger Ausführung. Die fünf Reihen auf der Diskantseite kommen vorwiegend bei Profimusikern zum Einsatz. Billig ist die Heimmusik mit der Steirischen Harmonika allerdings nicht. Das dreireihige Einstiegsmodell für den Profi von Morgen gibt es für rund 2000 Euro. Wer vierreihig einsteigen will, muss je nach Ausführung, Hersteller und Kreation zwischen 4000 und 7000 Euro auf den Tisch blättern.
Wer im Landkreis Göppingen in Unterböhringen in der Steirer Musikschule von Ingrid Klingler das Spielen auf der Steirischen Harmonika erlernen oder reinschnuppern will, braucht sich nicht gleich ein eigenes Instrument kaufen. Eine kleine Zahl an Lern- bzw. Leihinstrumenten sind im Unterrichtsraum von Ingrid Klingler vorhanden. Zumindest reichen die Instrumente für die ersten Fingerfähigkeitsübungen auf den Knöpfen. Wer dabei Blut geleckt hat und weiterhin Steirische spielen will, kommt um eine Eigenanschaffung aber nicht herum. Gelehrt wird in Unterböhringen das klassische Spiel mit vier Fingern auf der linken Seite und auch das seit einigen Jahren praktizierte Fünffingerspiel nach Griffschrift.
Ingrid Klingler spielt selber seit 28 Jahren Steirische Harmonika und hat im April 2016 ihre Musikschule in Unterböhrigen eröffnet. Schüler jeden Alters zwischen elf und 75 Jahre pilgern zwischenzeitlich aus den Landkreisen Göppingen, Esslingen und dem Alb-Donau-Kreis in die Tälesgemeinde, um das Spielen auf der Steirische Harmonika zu erlernen. Seit Anfang des Jahres gehören auch Lena (14) und Anna (17), die bereits Akkordeon- und Blasmusikerfahrung haben, zu den durch die Steirische Harmonika infizierten. Auch Mutter Bettina ist zwischenzeitlich vom tiefen, dumpfen Bassklang der „Quetschen“ angetan und nimmt ebenfalls Unterrichtsstunden. Das unterschiedliche Spiel mit rechter und linker Hand (Melodie und Begleitung) fällt ihr allerdings noch ein wenig schwer.
Die beiden Mädchen aus Owen sind große Fans von Alpenrocker Andreas Gabalier. So wie er wollen sie auch Steirische Harmonika spielen können. Deshalb heißt es zuhause, mal wenig mal mehr, die Steirische Harmonika umschnallen und üben. Lena ist dabei ganz versessen. Selbst morgens im Badezimmer kann es bei der 14-jährigen vorkommen, dass sie mit der „Zircha“ vorm Spiegel steht und übt.
Musiknoten haben die Mädchen zwar gelernt, sind aber beim Spiel mit der Harmonika nicht notwendig. Die Lieder in Griffschrift werden zwar auch auf fünf Notenlinien geschrieben, unterscheiden sich aber dadurch, dass es gegenüber herkömmlichen Noten keinen Violinschlüssel gibt.
www.musikschule-harmonikatraum.de
1-2021
Expeditionen in die Bier-Welt
Text: Günter Hofer
Bei einer besonderen Stadtführung in seiner Heimatstadt Geislingen, am Mikrofon als Reiseleiter bei einer Bierreise oder als Moderator beim „Bierculinarium“: Mit Bier kennt sich der 65-jährige Ulrich Kumpf aus. War er doch viele Jahre Mitgeschäftsführer der Geislinger „Kaiser Brauerei“. Schon in seinem aktiven Berufsleben hat sich der Brauer in seiner knapp bemessenen Freizeit mit der Braukunst und Biertradition beschäftigt. Heute bringt Ulrich Kumpf gerne sein erarbeitetes und gesammeltes Wissen zum Thema Bier, bei touristischen Veranstaltungen an den Gast.
Bei seiner Stadtführung durch das fast 30 000 Einwohner zählende Geislingen an der Steige (Landkreis Göppingen) tritt Kumpf im typischen Outfit Lederschurz und Bierkutschermütze auf. Unter der Überschrift „Von Brauern und Wirten“ bringt Kumpf den Besuchern die Stadt näher. Er berichtet über die Industrialisierung und über die einst 23 Brauer in der Stadt. Die Geschichte Geislingens ist geprägt von der Brautradition. Schließlich wurde hier in früherer Zeit pro Einwohner mehr Bier gebraut als in München.
Als Bierbotschafter kennt Ulrich Kumpf, Brauer-Geschichten aus dem Südwesten von Deutschland. Seine individuell geplanten Busreisen gehen meist durch Schwaben, Bayern und Franken. In der Regel beinhalten die Tagesreisen für Gruppen einen historischen oder technischen Teil und einen genussvollen Teil am Nachmittag. So könnte es zum Beispiel nach Ingolstadt ins Audi-Museum gehen und am Nachmittag zur Bierprobe in die Brauerei Kuchelbauer. Eine andere gut angenommene Tour führt nach Tettnang zum Schloss aus dem Jahre 1728. Wenn der Hunger nach geschichtlichem Wissen gestillt ist, geht es in „Hopfengut Nr.20“. Das in Tettnang gelegene Hopfengut vereint Hopfenanbau, Brauerei, Museum, Laden und Gaststätte.
Bei „Ulis Bierculinarium“ entdeckt der Gast Biergenuss, wie er ihn sicherlich noch nicht erlebt hat. Mit dem Bierbotschafter geht es quer durchs Ländle, durch Deutschland, Europa oder die ganze Welt – ohne zu reisen. An sechs Orten wird Rast gemacht und neben sechs unterschiedlichen Bieren wird regionaltypischer Fingerfood gereicht. So startet zum Beispiel die Bierreise von Nord nach Süd mit einer „Berliner Weise“ in Berlin und führt weiter mit „Kehrwieder Prototyp“ nach Hamburg, nach Franken zu einem Schluck „Glocken Hell“ und zu einem „Weltenburger Kloster Dunkel“ nach Bayern. Dass dazu passende Fingerfood können fränkische Würstel im Krautwickel sein, schwäbischer Zwiebelkuchen oder Heringssalat mit roter Bete.
www.bierexpedition.de
1-2020
„Hornissen sind die Greifvögel unter den Insekten“
Robert Ripberger ist im Ostalbkreis seit über 30 Jahren ehrenamtlich mit viel Engagement und Herzblut als Hornissenberater tätig. Von Landrat Klaus Pavel wurde er für seine Tätigkeit „als Stütze für den Artenschutz“ geehrt. Andrea Maier sprach mit ihm.
Herr Ripberger, wie kommt es zu Ihrer Begeisterung ausgerechnet für Hornissen?
Ripberger: Ich interessiere mich schon immer für alles, was kreucht und fleucht. In meiner Dienstzeit bei der Polizei habe ich immer wieder erlebt, wie viele Hornissennester auch von den Kollegen der Feuerwehren im guten Glauben daran zerstört wurden, dass Hornissenstiche lebensbedrohlich sind. Da kamen mein Bezug zum Tier und mein Wissen um rechtliche Grundlagen zusammen und ich konnte dafür eintreten, dass Hornissen geschützt und nicht ausgerottet werden.
Drei Stiche sollen sogar ein Pferd töten …
Ripberger: Eben nicht. Das Gift der Hornisse ist zehnmal weniger toxisch als das der Biene. Für einen gesunden Menschen bräuchte es einige Hundert Stiche von Hornissen. Anders verhält es sich bei Menschen, die an einer Allergie gegen das Gift leiden. Da reicht schon ein Stich von Biene, Wespe oder Hornisse. Auch nicht zu vernachlässigen sind Infektionen, die auftreten können, wenn man das Tier auf der Haut erschlägt und feste reibt, damit es nicht juckt. So können Bakterien in die Haut kommen, die unter Umständen Infektionen hervorrufen. Das Gift selbst wirkt eher entzündungshemmend.
Stimmt es, dass die Hornisse zur Familie der Wespen gehört?
Ripberger: Ja. Die Hornisse ist die größte Art der staatenbildenden Faltenwespen. Man kann sie gut an ihrer eindrucksvollen Größe erkennen. Sie ist wenigstens doppelt so groß, wie die meisten anderen Wespenarten. Ihr leuchtend schwarz-gelb gezeichneter Hinterleib und das braune Bruststück sehen ähnlich wie bei anderen Arten aus.
Warum stehen Hornissen unter strengem Schutz?
Ripberger: Sie dienen, wie jedes Tier, der Regulierung. Hornissen gelten als die Greifvögel unter den Insekten. Sie vertilgen große Mengen von Insekten, auch die uns unliebsamen Wespen und Stechmücken. Da es immer weniger Baumhöhlen und andere natürliche Nestplätze für die Hornissenvölker gibt, suchen sie sich schon mal einen Rolladenkasten oder einen Schuppen als Quartier. Dort hinein bauen sie aus den Fasern morschen Holzes ein bis zu 50 Zentimeter hohes Nest mit einem Durchmesser bis zu 30 Zentimetern. Das ist recht eindrucksvoll und sehr filigran aus einem papierähnlichen Stoff gefertigt, ist es eher braun, nicht so grau, wie das der Wespen. Das bedeutet auch, dass sie eben nicht Nutzholz aus Fassaden, Möbeln oder Dachbalken nehmen, sie verarbeiten wirklich nur morsches Holz.
Was wünschen Sie den Hornissen?
Ripberger: Ich wünsche ihnen mehr Verständnis von uns Menschen. Sie sollen überleben, wie hoffentlich viele andere Arten auch. Es hat doch jedes Lebewesen seine Daseinsberechtigung. Wir Menschen sollten uns nicht anmaßen zu entscheiden, wer leben darf und wer nicht. Oft genug ordnen wir Lebewesen in 'nützlich' und 'unnütz', dabei wissen wir längst nicht alles über die Wirkung, die jedes Tier und jede Pflanze im Gesamten hat. Lassen Sie die Hornissen also ruhig auch in Ihrem Garten oder Schuppen sein - Sie werden viele interessante Einsichten über diese bemerkenswerten Tiere erhalten.
1-2020
Drachenpapa überzeugt die Jury
Lena und Günter Burkhardt aus Bad Ditzenbach (Kreis Göppingen) haben mit „Funkelschatz“ die Auszeichnung zum Kinderspiel des Jahres gewonnen. Zufällig stoßen die Drachenkinder auf einen Schatz voller bunter Funkelsteine. Allerdings stecken diese eingefroren in einer dicken Säule aus Eis. Zum Glück bringt Papa-Drache die Säule mit seinem Feueratem zum Schmelzen und die Kinder können die funkelnden Steine einsammeln. Dazu stapeln die Spieler auf dem Spielbrett neun Plastikringe zu einer Säule und füllen diese bis zum Rand mit bunten Funkelsteinen. Zu Beginn jeder Runden wählt jeder ein farbiges Funkelplättchen. Vorsichtig entfernt nun der Startspieler den obersten Ring, und alle kassieren die runtergepurzelten Steine ihrer Farbe. Ist der letzte Eisring vom Spielbrett genommen, endet dieses ungewöhnliche Sammelspiel, und es gewinnt, wer mit Fingerspitzengefühl, ein wenig Taktik und Glück die meisten Funkelsteine einsammeln konnte. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass dieser Drachenpapa lässt nicht nur Eis, sondern auch Kinderherzen schmelzen lässt. „Hier fiebert die ganze Familie gerne mit. Ein Tochter-Vater-Gespann, die Autoren Lena und Günter Burkhardt, verbindet eine kindgerechte Geschichte, einen klassischen Mechanismus und faszinierendes Material zu einem Spieleabenteuer, das Kinder immer wieder fesselt. Beim Einschätzen und Sammeln sind ein kühler Kopf, ein Quäntchen Glück und Fingerspitzengefühl gefragt. (Drachen-)Papa ist der Beste.“ Funkelschatz ist ein taktisches Sammelspiel für zwei bis vier Spieler ab fünf5 Jahren und ist im Verlag Haba (Bad Rodach) erschienen.
2-2018
Mit dem Oldtimer-Cabrio über die Alb
Text: Andrea Maier
Die Sonne strahlt zwischen weißen Wolken am blauen Himmel. „Kaiserwetter für eine kleine Ausfahrt.“ Herbert Gollhofer knöpft das Verdeck auf, schiebt es in den kleinen Stauraum, in dem hinter den zwei schlanken Sitzen höchstens zwei schmale Taschen Platz finden. Am frühen Morgen ist es noch kühl, er zieht seine uralte braune Lederjacke über, öffnet über einen kleinen Hebel an der Innenseite die Fahrertür, klemmt sich hinter das winzige Lenkrad und zieht an dem schwarzen Knopf S. Der Motor startet, brummt und gluckst gutgelaunt - dann rollt der Austin Healey Sprite MK I auf die Straße. Das schöne Auto in bezauberndem Schlüsselblumengelb wird in Kennerkreisen liebevoll 'Froschauge' genannt. Betrachtet man die freundlich geschwungene Form mit den hervorstehenden Lampen, erklärt sich der Kosename selbst. Vom Remstal aus, wo Herbert Gollhofer und seine Frau wohnen, lenkt er sein derzeitiges Lieblings-Cabriolet durch den Schwäbischen Wald Richtung Ostalb. Dort unterhält die Familie ein Wochenendhäuschen als häufig besuchten Rückzugsort. Herbert Gollhofer liebt die Fahrten über die Schwäbische Alb ganz besonders. In dem ziemlich kleinen Froschauge sitzt er fast auf der Straße, die Räder der modernen Monsterautomobile rasen fast auf Augenhöhe an ihm vorbei. Gurte gibt’s in seinem Oldtimer keine und eine 'Knautschzone' nur mit viel Fantasie. „Auf der Alb ist wenig Verkehr, da fährt es sich entspannt.“ Bis an die 100 Km/h brummelt der Kleine mit 64 PS friedlich dahin, „Wohlfühlgeschwindigkeit“ nennt Gollhofer das und genießt den Fahrtwind, der über die winzige Frontscheibe streicht. Ganz deutlich spürt er Temperaturunterschiede, nimmt unterschiedliche Düfte und Farben wahr, ist ganz unmittelbar draußen - „Da fährst du nicht nur mit dem Fuß.“ Deshalb kommen für den passionierten 'Autoschrauber' ausschließlich Cabriolets infrage, insbesondere englische Modelle haben es ihm angetan. Als junger Buchdrucker-Lehrling kaufte er mangels Reichtum alte, kaputte Autos, reparierte und fuhr sie. Seit er Ende der 60er Jahre auf diese Weise an das mittlerweile legendäre Cabrio Triumph TR4 gekommen war, gibt es kein Zurück: „Nur noch Cabrio.“
„Schon immer“, aber seit der Rente oft auch ganztags schraubt, schmirgelt, schweißt, lackiert und poliert der 66-Jährige in einer kleinen Werkstatt, die er sich auf dem Schurwald eingerichtet hat. Mit Blick auf die Alb restauriert er hingebungsvoll die „Ruinen“, wie er die oft seltenen und immer außergewöhnlichen Oldtimer-Cabrios nennt, die er über die Landesgrenzen hinweg aufstöbert. Derzeit renoviert er einen völlig herunter gekommenen Lotus Elan. Das Fahrwerk hat er bereits komplett neu gebaut. Seit über einem Jahr schleift er 16 Farbschichten herunter und baut die Karosserie mit Glasfasergewebe wieder auf. „Ein Granateng'schäft“ murmelt er lächelnd und streicht zärtlich über sein Werk. „Das wird mein Rentner-Auto“. Bis es soweit ist, freut ihn in seinem 'Frosch' „der brummende Motor, das singende Getriebe, die jaulende Hinterachse und vor allem die Windgeräusche“. Den Genuss perfekt machen die wunderschönen Ausblicke am gesamten Albtrauf, das kurvige Rauf-und-Runter über einsame Sträßchen, oder die sanft geschwungenen Straßen, die Flüssen folgen, beispielsweise der schönen Lauter entlang. Wenn es kühl wird, dreht Herbert Gollhofer den Knopf H(eating), dann pustet das klitzekleine Gebläse eifrig warme Luft an seine Beine und er kann noch ein Weilchen länger 'oben ohne' über die Alb brausen.
2-2016